Esprresso - Oktober

Ausgabejahr 26 | 10 - 2025 Kostenlos zum Mitnehmen AB 9. OKTOBER NUR IM KINO

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BEA + PAT | Reitschulgasse 6 | 85049 Ingolstadt Tel.: 0841 / 33689 | bea_pat_ BEA + PAT 35 JAHRE AN ORT UND STELLE Zum möchten wir uns für die wunderschönen Jahre bedanken. Danke an unsere großartigen Kunden, die nach so langer Zeit Freunde geworden sind. Und darum beschenken wir dich mit 35 % AUF DEIN LIEBLINGS-HERBST-PIECE 25.09. – 04.10. Jubiläum

4 22 32 36 26 12 16 Foto: Ida Høyrup, Exploratorium SF Fotos: Herker Foto: Birkl Foto: Herker

Münchener Str. 7 · 85276 Pfaffenhofen Telefon 08441/789 07 96 lichtpunkt-pollex.de Beleuchtungssysteme · Lichtdesign Beratung · Planung · Technische Umsetzung Beleuchtung in einer neuen Dimension Münchener Str. 7 · 85276 Pfaffenhofen Telefon 08441/789 07 96 lichtpunkt-pollex.de Beleuchtungssysteme · Lichtdesign Beratung · Planung · Technische Umsetzung Beleuchtung in einer neuen Dimension Design: ideehochzwei® Foto © Jaugstetter

7 Liebe Leserinnen und Leser, "Mehr Kreativität wagen" ist das Thema dieser Ausgabe. Das klingt zunächst nach bunten Farben und wildem Chaos. Doch Kreativität ist weit mehr als ein Hobby oder ein künstlerischer Spleen. Sie ist die Fähigkeit, Neues zu denken, Routinen zu sprengen und dem Leben eine unerwartete Richtung zu geben. Wer kreativ ist, riskiert auch Unverständnis. Dabei haben Kreative eine stille Superkraft, die in der Freiheit, Möglichkeiten auszuloten, statt sich mit dem Vorhersehbaren zufriedenzugeben, gründet. Mehr Kreativität zu wagen heißt, sich selbst ein Stück weiter zu öffnen – für Überraschungen und Wachstum. Mit von der Partie ist in diesem Sinne Stadtrat Achim Werner, der es mit Anfang Siebzig noch einmal wissen will: Auf politischer Ebene zieht es ihn nun zu den Linken, auf künstlerischer Ebene geht er mit seinen Werken in die Offensive. Seine konkreten Kunstwerke kreiert er immer erst im Kopf. Und: er hat sich auf ein kleines Mode-Experiment mit dem Ingolstädter Laden Reflections eingelassen. Die Künstlerin Siri Lang beschäftigt sich mit dem Thema Schönheit auf kritische Weise und Müllerbräu aus Pfaffenhofen überrascht mit erfrischenden Ideen und zeitgemäßem Marketing, das Menschen verbindet. Hubert Klotzeck bringt mit seiner gelben Ausstellung und seinen sozialen Projekten buchstäblich Sonne ins Leben der Eichstätter. In Ingolstadt wird die Nacht der Museen zum Ideenfeuerwerk und sogar ein vermeintlich lebloser Gegenstand, ein Handschuh, der „blaue Passagier“ von der Künstlerin Petra Annemarie Schleifheimer, verwandelt sich mit etwas Fantasie in unserer Geschichte in einen bunten Passagier, der eine Message für uns bereit hält. Nicht zuletzt möchten wir durch ein ganz besonderes Grafitti in Neuburg - von Elisabeth Waltinger und ihrer Tochter Magdalena - die deutsche Schriftstellerin Paula Schlier würdigen. Kreativität macht sichtbar, verbindet, erfrischt – wir wollen mehr davon! Ihre Stefanie Herker, Chefredakteurin SABINE KACZYNSKI FIORELLA FERRARA MEDIENBERATERIN MOBIL: 0176/64028713 fiorella.ferrara@espresso-mediengruppe.de EVELIN RAFFALT MEDIENBERATERIN 0841/ 9812401 - 40 / MOBIL: 0172/8533599 raffalt@espresso-mediengruppe.in SEBASTIAN BIRKL SONJA MELZER marketing teamespresso editorial Outfit von Retzlaff Moden, Ingolstädter Straße 27 & 29, Pfaffenhofen Tel. 08441 84887 Mail: retzlaff.moden@online.de Instagram @retzlaff_moden Foto: Thorsten Brieger im kreativen Maislabyrinth in Menning Stefanie Herker Foto: www.thorsten-brieger.com

8 espresso UNCOVERED WIE EINE MUTIGE JOURNALISTIN STÜCK FÜR STÜCK ZURÜCK INS ÖFFENTLICHE BEWUSSTSEIN RÜCKT Foto & Text Sebastian Birkl

9 espresso igentlich ist es der Albtraum einer Undercover- Reporterin: enttarnt zu werden. Noch schlimmer ist nur: nie von ihr gehört zu haben. Wenn Ihnen der Name Paula Schlier jetzt etwas sagt, dann, weil in den letzten Jahren viel Erinnerungsarbeit geleistet wurde. Viel zu lange war sie vergessen. Dabei ist Paula Schlier eine Ausnahmeerscheinung. Eine Kettensprengerin. Hier aus der Region. In Neuburg ist sie geboren, in Ingolstadt hat sie einige Jahre gelebt, ehe sie nach München zog und heimlich aus der Propaganda-Maschinerie der Nationalsozialisten berichtete. Seit wenigen Jahren wird sie nun enttarnt, im positiven Sinne. Doch der Reihe nach. „Um mir das Licht der Welt, das ich erblickt habe, deutlich zu machen, wird es nicht nötig sein, daß ich auf die Zeit zurückgreife, da ich Säugling war. Sondern ich werde dort beginnen, wo ich zu schreien und mich zu wehren anfing. Und das war 1916, als ich mit siebzehn* Jahren Kriegspflegerin wurde“, schreibt Paula Schlier in ihrem autobiografischen Roman Petras Aufzeichnungen oder Konzept einer Jugend nach dem Diktat der Zeit. Sie meldete sich freiwillig. Zu jung eigentlich. Doch alle glaubten, sie sei bereits 18. Und sie ließ sie in diesem Glauben. Wir befinden uns mitten im Ersten Weltkrieg. Die unvorstellbaren Gräuel, die sie als Hilfsschwester in den kommenden vier Jahren im Ingolstädter Lazarett miterleben sollte, machten sie zur entschiedenen Kriegsgegnerin. Vielleicht waren es ihre Erfahrungen im Lazarett, die ihr feines Gespür schärften. Früh durchschaute sie die Gefahr, die von den Nationalsozialisten ausging. 1921 zog sie nach München, arbeitete in Verlagen und veröffentlichte zwei Jahre später erste kritische Artikel. Ihr größter Coup gelang 1923: Mit nur 24 Jahren heuerte sie als Stenotypistin beim Völkischen Beobachter, dem Kampfblatt der NSDAP, an. Nicht aus Überzeugung, sondern um heimlich Einblicke in die Propaganda-Maschinerie zu gewinnen. Als junge Frau unterschätzt, riskierte sie ihr Leben und wurde zu einer der ersten investigativen Journalistinnen überhaupt. Den Hitlerputsch erlebte sie aus der Redaktion heraus. Ihre Beobachtungen veröffentlichte sie später in Petras Aufzeichnungen. Darin schrieb sie: "Ich sah diese kleinen, gestikulierenden Leute, und mir widerstrebte die Leichtfertigkeit, mit der sie das Spiel bereits gewonnen glaubten. Ich wußte, daß vom Bürgerbräukeller aus keine Revolution zu machen sei … Zugleich aber war in mir eine große Angst, es werde nun die nationalsozialistische Armee in Bewegung gesetzt werden, um gegen den Norden, gegen die Sozialisten, gegen die Menschen der anderen Überzeugung vorzugehen." Ihr großer Coup wird in einigen Zeitungen gefeiert, nur in einer kommt ihre Undercoverstory – wenig überraschend – nicht besonders gut an. In einer „Rezension“ im Völkischen Beobachter heißt es: „Ihr Vater ist Arzt, wenn ich nicht irre; er muß sich Ihrer annehmen. Ich glaube, es liegt bei Ihnen ein Fall von Psychopathie Sexualis vor. Das lässt sich bekanntlich am besten durch einen Mann beheben …“. Einige Jahre später, 1942, der 2. Weltkrieg war bereits in vollem Gange, wurde Paula Schlier von der Gestapo verhaftet. Ihr katholischer Beichtvater hatte sie verraten. Er gab Briefe weiter, die sie ihm schickte. Fast wäre Paula Schlier im KZ Dachau gelandet. Ein befreundeter Arzt bewahrte sie davor, bescheinigte ihr „religiösen Wahn“. Schlier kam somit in die Psychiatrie Eglfing-Haar. Noch im selben Jahr wurde sie entlassen und tauchte bis zum Ende des Kriegs unter. Nach der Befreiung arbeitete sie weiter als Schriftstellerin und pflegte ihre Mutter. 1977 starb sie in Bad Heilbrunn. Dann war es lange still um sie. Auch in Neuburg und Ingolstadt, ihrer Heimat. Heutzutage tritt Paula Schlier langsam wieder ins Licht: durch einen Dokumentarfilm, einen Podcast, eine Ausstellung im Ingolstädter Rathaus – und seit kurzem auch durch eine große Wandmalerei in Neuburg. In einer nach ihr benannten Straße. Künstlerin Elisabeth Waltinger und ihre Tochter Magdalena haben sie auf einem Trafohäuschen verewigt. „Ich fand es schade, dass sie keiner kennt“, sagt Elisabeth Waltinger, sie ist Teil des Neuburger Brückenkollektivs. Sie selbst wurde auf Schlier durch einen VHS-Vortrag aufmerksam, den sie zusammen mit ihrem Vater besuchte. Neben dem Bildnis von Paula Schlier steht ein Zitat. Darin heißt es sinngemäß: Die Demokratie gibt dem Menschen Verantwortung. Dieses Zitat nahm sich die Künstlerin zum Vorbild. „Ich selbst habe mir auch gedacht: Warum macht da niemand was? Warum wird keine Schule nach ihr E *Ein Foto aus dem Nachlass zeigt, dass sie bereits zum Jahreswechsel 1915/1916 Hilfskrankenschwester war - und damit sogar erst 16 Foto: Forschungsinstitut Brenner-Archiv Dieses Foto von Paula Schlier aus dem Jahr 1934 diente den beiden Künstlerinnen Elisabeth und Magdalena Waltinger (s.li.) als Vorlage für die Wandmalerei in Neuburg

10 espresso Paula Schlier im Jahr 1918 als Hilfskrankenschwester. "Das Lazarett, in dem ich pflegte, von den Soldaten "der Zirkus" genannt, nahm Tausende von Verwundeten auf, die zu Anfang des Krieges auf Strohlagern, später auf eisernen Bettgestellen in langen Viererreihen untergebracht wurden. Im letzten Leichtverwundetensaal spielte jeden Nachmittag Militärmusik, bei Siegen mit verstärktem Orchester. Im großen Saal weinten die Schwerkranken vor Nervosität und baten um Watte zur Verstopfung ihrer Ohren." - Aus Petras Aufzeichnungen Mehr von und über Paula Schlier Dokumentarfilm „Hitlerputsch 1923: Das Tagebuch der Paula Schlier.“ ARD Mediathek (verfügbar bis 7.11.2025) 3-teiliger Podcast von Paula Lochte: „Paula sucht Paula“ in der Reihe „Alles Geschichte – History von radioWissen“ von Bayern 2 Podcast 11 km, Folge: Undercover in der Hitler-Redaktion Buch | Paula Schlier: Petras Aufzeichnungen oder Konzept einer Jugend nach dem Diktat der Zeit Fotos: Forschungsinstitut Brenner-Archiv

11 espresso benannt? Aber wie der Spruch erklärt: Jeder ist selbst verantwortlich. Und wenn ich was ändern will, muss ich es selbst tun. Das will ich auch meiner Tochter mitgeben. Wenn man eine Ungerechtigkeit sieht, muss man sich dem mit seiner eigenen Sprache annehmen. Das kann Musik sein, das kann das Schreiben sein - bei uns ist es eben das Malen.“ Gesagt, getan. „Sie war eine krasse Frau. In der Schule haben wir nichts von ihr gelernt. Ich war ganz erstaunt, dass sie aus Neuburg kommt“, sagt Tochter Magdalena. Im Oktober beginnt sie ihr Studium der Kunstgeschichte in Regensburg. Paula Schlier war unbequem, mutig, eine Kämpferin gegen Konventionen. Sie wehrte sich gegen stumpfe Rollenbilder und trat kompromisslos für ihre Überzeugungen ein. „Als Mädchen durfte sie nicht aufs Gymnasium und nicht studieren. Ich finde es toll, dass sie nicht geheiratet hat und mit Anfang 20 nach München ging, wo sie alleine für sich sorgen musste“, sagt » Ich schaue den Vögeln in der Luft nach, wie sie mit dem Winde fliegen und nie gegen den Wind ankämpfen, und wie sie die Flügel kaum gebrauchen müssen, wenn sie sich vom Winde tragen lassen. « Aus dem Vorwort von "Petras Aufzeichnungen" Elisabeth Waltinger. Schlier heiratete erst mit 60. „Ich denke, sie war hochintelligent, sehr einfühlsam und sehr an ihrer Umwelt und ihren Mitmenschen interessiert. Ihr Schicksal in Haar passt auch in die Zeit: Frauen, die nicht so funktionierten, wie sie sollten, wurden entsorgt. Ich finde, sie ist ein gutes Vorbild, auch für unsere Jugend.“ Paula Schlier war eine der ersten Frauen, wenn nicht die erste, die über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz schrieb. In einer Woche im Hochsommer entstand das Bild in der Paula-Schlier-Straße. „Das Schöne sind die Räume, die entstehen“, sagt Elisabeth Waltinger. „Die Leute kommen vorbei, stellen Fragen. Es entstehen Gespräche.“ Und wer heute an ihrem Bild vorbeigeht, googelt vielleicht ihren Namen – und entdeckt eine Frau, die viel zu lange im Schatten stand.

12 espresso BIER MIT GESCHMACK Foto: Stefanie Herker MANUEL UND LISA MÜLLERS BIERIGE REISE VON TRADITION ZU INNOVATION - UND PLÖTZLICH SCHMECKT DAS MÜLLERBRÄU!

13 espresso VON STEFANIE HERKER Bier kann in Bayern eine ernste Angelegenheit sein. Reinheitsgebot, Stammtisch, Maßkrug – alles streng geregelt, alles tief verwurzelt. Wer daran rüttelt, riskiert skeptische Blicke. Doch manchmal braucht es genau das: Mut zur Kreativität. Ein Beispiel dafür liefert die letzte verbliebene Brauerei in Pfaffenhofen, die Gebr. Müller Müllerbräu GmbH & Co. KG. Hier wird seit 1775 gebraut. Heute führt Manuel Müller die Geschicke in siebter Generation, zusammen mit seiner Frau Lisa, die das Gasthaus und das moderne Sudhaus-Restaurant betreut. Zwischen Tradition und Zukunft Die Geschichte von Müllerbräu ist fast so alt wie die Stadt selbst. Erste Spuren finden sich bereits 1618, offiziell gegründet wurde die Brauerei 1775. Besonders Anton und Walburga Müller trugen um 1900 erheblich zur Entwicklung der Brauerei bei, indem sie nicht nur die Brauerei, sondern auch den Gasthof ausbauten. Das neobarocke Gebäude am Hauptplatz ist bis heute ein Schmuckstück. Walburga Müller (Manuels Uroma) wurde im neuen Müllerbräu-Logo (rechts) gewürdigt. "Sie hat die Firma durch eine schwere Zeit gebracht", erklärt Manuel. "Um 1910 war sie die größte Arbeitgeberin Pfaffenhofens." Einst gab es in Pfaffenhofen 13 Brauereien – geblieben ist nur Müllerbräu. Warum? Manuel Müller meint, dass die Menschen seit der Corona-Pandemie wieder mehr verstanden haben, dass sie regional denken müssen. "Das Heimatgefühl ist wieder stärker geworden. Die Leute unterstützen auch wieder lieber die Region, als dass sie Bier aus anderen Teilen Deutschlands konsumieren", erklärt er. Vielleicht hat es aber auch damit etwas zu tun, dass die Müllers immer wieder Neues wagen, anstatt nur nostalgisch auf „die gute alte Zeit“ zu schielen. Und das ist keine Floskel. Müllerbräu scheint wie ein Gesamtkunstwerk, wenn man genauer hinsieht. Nur a Müller Weizen kannt mi reizen - und das schon seit 250 Jahren. Fotos: Archiv

14 espresso Manuel und Lisa Müller setzen auf eine Mischung aus Verlässlichkeit und Aufbruch – im Restaurant steht ein eigenes Gewächshaus, Hopfen kommt zum Teil aus eigenen Gärten, Wasser aus dem eigenen Brunnen, Energie aus Biomasse und Photovoltaik, Bier wird mit Fernwärme gebraut. Es gibt Bio-Bier mit Bioland-Siegel, gläserne Brauereiführungen und ein Sudhaus, das modernes Industriedesign mit Tradition verbindet. Doch was Müllerbräu wirklich von vielen anderen Brauereien unterscheidet, ist der Mut, das Bier ins Heute zu holen. Während andere noch verzweifelt über sinkende Absätze klagen, hat Müllerbräu verstanden, dass Bier mehr sein kann als ein Durstlöscher: Es kann soziales Bindeglied sein. Sie sponsern lokale Vereine und Organisationen und machen dabei keinen Unterschied, ob traditionell oder zeitgemäß. Und so leuchtete bereits am Hauptplatz plötzlich ein riesiges Banner mit Regenbogenfarben: „Gemeinsam für Akzeptanz und Vielfalt“. Dazu gab es eine limitierte „Hell Pride Edition“ – ein Bier, das nicht nur schmeckt, sondern auch Haltung zeigt. Seitdem unterstützt Müllerbräu konsequent den Queer Pfaffenhofen e.V., sponsert den Christopher Street Day, stellt Räume für Treffen zur Verfügung und signalisiert: Hier ist jede*r willkommen. Im Gasthaus treffen sich nun nicht nur Stammtische und Kartler, sondern auch die queere Community. Und auch beim CSD in Pfaffenhofen prostete man sich mit Müllerbräu zu – auf Vielfalt, auf Freiheit, auf eine Stadt, die bunter sein will. "Bei uns ist jeder willkommen", erklärt Lisa Müller und findet es einfach nur menschlich, dafür ein Zeichen zu setzen. Bier mit Preis und Prädikat Natürlich bleibt das Bier selbst die Basis: Müllerbräu Hell, Festbier, Weißbier Leicht, Hopfenland Pils – alle mehrfach ausgezeichnet, ob beim European Beer Star oder beim World Beer Cup. Doch die Produkte stehen hier nicht isoliert, sie sind Teil einer größeren Erzählung: dass man Tradition und Kreativität verbinden kann, ohne die Seele des Bieres zu verlieren. Wer das spüren will, sollte eine der Brauereiführungen besuchen: durch die glänzenden Stahlkessel, vorbei am Malzduft, hinein ins Sudhaus, das wie eine Bühne für das Brauhandwerk wirkt. Am Ende darf natürlich probiert werden – und spätestens da versteht man, warum Müllerbräu keine altehrwürdige Institution im Abseits ist, sondern ein lebendiger Teil der Stadt. "Es wird uns seit einigen Jahren immer wieder gesagt, dass unser Bier jetzt richtig gut geworden ist. Wir haben seit zehn Jahren einen neuen Braumeister. Woran es aber ganz genau liegt, können wir nicht sagen." Das Vollgas-Gen Und dann gibt es noch die Anekdote, die zeigt, dass in dieser Familie immer schon Tempo steckte: Fritz Müller, Manuels Papa, war Rennfahrer. Während andere Brauer ihre Bierfässer auf Pferdewagen stapelten, fuhr er Autorennen. Dieses „Rennfahrer-Gen“ ist vielleicht bis heute spürbar: Die Bereitschaft, schneller zu sein als andere, Neues auszuprobieren, Risiken einzugehen. Nur, dass die Müllers heute nicht mehr im Kreis rasen, sondern geradewegs in die Zukunft. "Papas" Requisiten wie Rennfahreranzug, Trophäe und der alte Motor liegen übrigens noch im hauseigenen Museum, das man im Sudhaus am oberen Hauptplatz besuchen kann. Hier gibt es Vintage-Erinnerungsstücke, Müllerbräu-Fanartikel und Kleidung - für alle, die ein Zeichen setzen wollen. Bio-Sprossen-Anbau im eigenen Gewächshaus im Sudhaus. Gemeinschaft im Glas So wird aus einem urigen Getränk ein modernes Statement. Müllerbräu schafft es, ein Gefühl zu stiften, das über den Schaumrand hinausgeht: Gemeinschaft. Da sitzt der Senior mit Stammtischhumor neben der queeren Jugendgruppe, die Handwerkerin neben dem Künstler, und alle stoßen an. Auf ein Bier, das mehr ist als Malz und Hopfen. Auf ein Symbol für Toleranz und Kreativität. Foto: Sebastian Birkl

Anzeige espresso 15 Ein eingespieltes Team: Manuel und Lisa Müller setzen auf neue Perspektiven. Was ist das Geheimnis des Bierbrauens? Bei Brauereiführungen im Sudhaus kann man erfahren, was hinter dieser Kunst steckt. Fotos: Stefanie Herker Führungen, Reservierungen, Geschichte und mehr auf: www.muellerbraeu.com

STADTRAT ACHIM WERNER IST KREATIV UNTERWEGS Mathe trifft Magie

Fotos: Stefanie Herker / Look: Reflections, Ingolstadt 17 espresso VON STEFANIE HERKER Achim Werner ist SPD-Stadtrat in Ingolstadt. Noch. Der 72-Jährige hat kürzlich alle mit der Nachricht überrascht, dass er bei der nächsten Stadtratswahl auf der Liste der Linken ins Rennen geht. Wer mit 72 einen Instagram-Account für seine Kunst eröffnet, der kann sich auch politisch neu positionieren, wenn es die Lage erfordert. Achim Werner ist einer der Wenigen, die sich trauen. Nebenbei ist er auch einer der Wenigen, der Mathematik nicht als Angstfach sieht, sondern als Farbpinsel benutzt. Während andere Rentner mit Kreuzworträtseln und Bingo-Runden experimentieren, packt Achim den Taschenrechner aus und entwirft digitale Kunst. Sein erstes Werk heißt „Labyrinth“. Klingt wie eine Metapher für die Kommunalpolitik, ist aber tatsächlich Kunst. Und er hat schon so einige Fans. Dreißig Jahre lang haben konkrete Ideen in seinem Kopf Schlange gestanden wie Teenies vorm Taylor-Swift-Konzert. Vorrang hatte seine Arbeit als Journalist beim Donaukurier, wo er als Rathausreporter die Lokalpolitik sezierte. Dann der Wechsel zu Audi: Lobbyarbeit statt Leserbriefe. Als Politikbeauftragter für Bayern und Baden-Württemberg jonglierte er nicht mehr mit Überschriften, sondern mit Ministern, Abgeordneten und Gesetzesentwürfen. Kurzum: Schon bevor er Quadrate generierte, hat er welche getroffen. 2018 war Rentenstart. Carsten Linnemann und Friedrich Merz würden bei Achim Werner vermutlich vor Freude in die Hände klatschen: Endlich ein Rentner, der ihre Wunschfantasie erfüllt und die eigene Rente „aktiv aufpeppt“. Kein Nebenjob an der Supermarktkasse, kein Paketeschleppen bei Amazon - Achim Werner macht es cleverer: Er verkauft seine Gedanken und verwandelt die Rentenlücke in ein Kunstwerk. Wo Merz in Blackrock investiert, setzt Werner auf faszinierende Formen. Und mal ehrlich: Das ist nicht nur kreativer, sondern auch deutlich schöner fürs Auge. Seit 2021 geht es Schlag auf Schlag: "Die ersten 30 Werke haute ich in wenigen Wochen raus", lacht er – als hätte sein Gehirn einfach eine Cloud-Synchronisation gestartet. Am Anfang verwirklichte er seine künstlerischen Visionen noch am Handy, später dann am Computer. Heute entstehen bei ihm geometrische Traumlandschaften, so exakt, dass selbst Pythagoras stolz wäre. Jedes Werk gibt’s nur maximal zehn Mal. 500 Euro kostet so ein Stück – ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass man dafür gleichzeitig Farbe, Geometrie und ein Stück Achim Werner bekommt. „Ich habe lange überlegt, wie ich meine Werke am besten präsentieren kann. Mir wurde für die Drucke Hubert Klotzeck in Eichstätt empfohlen. Ich muss sagen, ich war sofort begeistert von den leuchtenden Farben“. Und diese Begeisterung strahlt er auch selbst aus, wenn er seine Bilder präsentiert. Sein Herzensprojekt: „Bonhoeffer trifft Konkrete Kunst“. Eine Art Netflix-Mashup aus Theologie und Geometrie. Man wird optisch durch einen Tunnel gezogen, während Dietrich Bonhoeffers Echo schallt: „Beten ist Atemholen aus Gott.“ 26 Werke hängen inzwischen im Bonhoeffer-Zentrum. Ganz nach dem Motto holy meets high-res. Für Achim Werner, der als Kirchenvorstand sonntags aus tiefer Überzeugung die Bank drückt, ist das natürlich eine runde Sache. Verkaufsoffene Sonntage? „Nicht mit mir!“, sagt ABOUT ACHIM Hans Joachim Werner wurde am 12. November 1952 in München geboren. 1984 wurde er erstmals in den Ingolstädter Stadtrat gewählt. Dem Bayerischen Landtag gehörte er von 1998 bis 2013 als Abgeordneter an. Er ist Mitglied in zahlreiche Organisationen, besonderes Engagement gilt dem Sozialverband VdK. Er sagt: "Es ist unsere Pflicht, in einem Bündnis mit allen demokratischen Kräften für Demokratie, Vielfalt und Toleranz einzutreten ! "

30 espresso er, und man sieht förmlich, wie irgendwo ein rotes Quadrat das Schild „Geschlossen“ hochhält. "Dann lieber Late-Night-Shopping", sagt er, da hätten alle viel mehr davon. Ausgestellt hat er seine Arbeiten schon in Neuburg an der Donau, dreimal in Ingolstadt und einmal in Slowenien, Murska Sobota – der Partnerstadt Ingolstadts. Wenn man Achim Werners Kunst beschreiben müsste, könnte man es so sagen: Jemand hat Excel-Tabellen in LSD getunkt. Seine Werke sind hypnotisierend. Und: Politik und die teilweise optischen Täuschungen in Achim Werners Bildern haben mehr gemeinsam, als man denkt. Schaut man genauer hin, verrutschen die Formen, kippen die Perspektiven und plötzlich sieht jeder etwas anderes. Was eben noch links war, rutscht nach rechts, was gerade schien, entpuppt sich als Schieflage. Bei Achim ist das Absicht und Kunst, in der Politik nennt man es Meinungswandel. Der Unterschied: Seine Täuschungen machen Spaß, die der Politik bereiten Kopfschmerzen. Auch ihm. Und auch wenn es ihm schwer fiel nach Jahrzehnten SPD-Zugehörigkeit, so war für ihn eine politische Neuorientierung unausweichlich: "Durch die frühzeitige Amtsniederlegung durch den ehemaligen OB Christian Scharpf hat die Ingolstädter SPD an Vertrauen verloren und bei der darauffolgenden Wahl die Quittung bekommen." Außerdem will Achim Werner die Entwicklungen in der Bundespolitik nicht einfach so hinnehmen. "Mir ist natürlich klar, dass die SPD als Junior-Partner nicht die Richtlinien der Politik bestimmt." Er könne aber mindestens zwei Entwicklungen keinesfalls mittragen: "Als überzeugter Europäer sind die innereuropäischen Grenzkontrollen zur Abwehr geflüchteter Menschen für mich ein No Go." Dass Menschen auf rechtswidrige Weise zurückgewiesen werden, könne er mit seinem Verständnis von Menschlichkeit nicht vereinbaren. "Was mich geradezu empört, ist die einsetzende Hatz im Land auf Empfänger von Bürgergeld und die Reaktion der Bundesregierung darauf. Die Ärmsten der Armen werden pauschal als Schmarotzer diffamiert." Für einen Nachmittag hat sich Achim Werner frei gemacht von Konventionen. Grauer Polit-Muff - ade! Er wandert durch die City in stylischen Outfits von Reflections - fast wie eine lebendige Skulptur, die sich verlaufen hat und zufällig auf dem Catwalk der Altstadt gelandet ist. Zwischen Kopfsteinpflaster und alten Mauern wirkt er wie das Covermodel der „Geo-Kunst-Vogue“. Wer da vorbeiging, sah sich um und konnte nicht entscheiden: Ist das Kunst, Mode oder Wahlkampfplakat aus der Zukunft? Achim Werner hat sich so oder so neu erfunden. Und wer weiß, vielleicht sehen wir ja ab sofort mehr davon?

19 Fotos: Stefanie Herker "Mittendrin küsst mich die Muse." ICONIC STREETLOOK Outfits: Reflections Rathausplatz 11, Ingolstadt www.reflections-in.de Fotos: Stefanie Herker

20 espresso "knickreich" In meiner ersten Ausstellung ist dieses Bild noch ohne Namen gehängt. Die Besucher hatten die Möglichkeit, Namen für das Bild vorzuschlagen. Insgesamt sind 168 Vorschläge eingegangen. Am besten hat mir "knickreich" gefallen und deshalb heißt das Bild seitdem so. "symmetrie" Konkrete Kunst hat einiges mit Mathematik zu tun. Ein Taschenrechner kann deshalb sinnvoll sein, mit dessen Hilfe Abstände von Formen und Winkel exakt berechnet werden können. "in reih und glied" Unter anderem diese Arbeit habe ich bei einer Ausstellung in der Staatlichen Galerie Murska Sobota gezeigt. Galeriedirektor Dr. Robert Inhof hat es ausgewählt und in seinen Fundus übernommen. Seit kurzem ist Achim Werner mit seiner Kunst inklusive Gedankengängen auf Instagram als @achim2239. „Interessant, wer da so meine Bilder liked“, sagt er und scrollt mit dem Charme eines Jugendlichen. Likes statt Wahlergebnisse, Storys statt Stadtratssitzung – Achim Werner hat den Sprung ins digitale Rampenlicht geschafft. Politik, Kunst, Mode, Kirche und Social Media: Er mixt das alles zusammen wie ein Barkeeper, der aus Pi, Quadraten und gelegentlichen Zitaten einen Cocktail mit gutem Geschmack rührt. Ergebnis: konkret berauschend.

21 "Kunst und Politik passen gut zusammen. Die Kunst der Politik sollte es sein, die Lebensbedingungen von Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, zu verbessern. Dafür werde ich mich weiterhin einsetzen." Foto: Stefanie Herker / Outfit: Reflections, Ingolstadt

14 espresso

23 espresso IM CHAOS BEGINNT DIE KUNST m Anfang herrscht das Chaos. Alles liegt kreuz und quer, der Boden ist mit Schnipseln und Dreck übersät. Dreißig Farbflaschen stehen wie kleine Soldaten mitten im kreativen Schlachtfeld. „Und so muss es sein. Dann bin ich in meinem Universum!“ So war es auch diesmal. Erst am Ende lichtet sich das Chaos und die Kunst kommt zum Vorschein. Extra für die Nacht der Museen hat die Ingolstädter Künstlerin Siri Lang viel Neues geschaffen. Ihrer Ausstellung verpasste sie den Titel „Ich bin schön und du extrem“. Darin zusammengefasst die Spannungsfelder, in denen sich Individuen bewegen: Schönheit und Selbstbild, gesellschaftliche Erwartungen, Geschlechterrollen und die Frage nach der eigenen Identität. „Am Ende scheint man immer irgendwie gezwungen zu sein, sich zu entscheiden, was man ist, wer man ist oder wie man von außen gesehen wird. Bin ich schön? Bin ich nicht schön? Was heißt das und wie viel zeige ich davon?“, sagt Lang. Nicht immer kommt das im Alltag ohne Widerspruch aus. „Auf der einen Seite kann ich mich nicht, wenn ich wollte, oben ohne ins Freibad legen. Aber ich kann mich im Internet auf Onlyfans ausziehen und bekomme Anerkennung dafür.“ Diese Gegensätze werfen Fragen auf – nicht nur zu Rollenbildern, sondern auch zu den Botschaften, die junge Menschen über soziale Medien erhalten. Wie beeinflusst die digitale Öffentlichkeit unser Verständnis von Schönheit und Selbstinszenierung? „Eventuell ist das ein isolierter Blick von mir, aber ganz viel dreht sich im Internet um das Thema Schönheit. Darum, wie ich gut koche oder wie ich mich schminke.“ Antworten will die Künstlerin bewusst nicht geben. Vielmehr geht es ihr darum, Denkprozesse anzustoßen. „Die Leute sollen in der Ausstellung diese Fragen in sich spüren oder zumindest anfangen, darüber nachzudenken, ob es darauf eine sinnige Antwort gibt oder nicht.“ Das Hauptwerk ihrer Ausstellung im Rahmen der Nacht der Museen war eine Collage, zusammengesetzt aus verschiedenen Einzelobjekten. Zum espresso-Interview lag das alles noch auf dem Boden in Siri Langs Atelier in der Milchstraße, ehe es dann an eine Wand in ihrem zweiten Atelier in der Reitkasernstraße in seiner finalen Form zu sehen war. Mittendrin: Penisse und Vaginas. „Nicht in der Darstellung, wie wir es vielleicht gewohnt sind oder in einem pornografischen Sinne. Sondern eher in einem malerischen“, erklärt sie. Die anatomische Darstellung einer Vagina hat sie zum Beispiel für eines der Bilder inspiriert. „Als ich das gesehen habe, dachte ich: Das ist ja süß, die schauen aus wie Pinguine.“ Die Penisse verstecken sich in einer Reihe von Zeichnungen diverser Männerbärte. „In der Collage stecken aber auch Aspekte wie Konformität und Individualität, womit man sich ja heutzutage sehr angreifbar macht. Man muss schon sehr stark sein, um seine Individualität ausleben zu können. Ich habe oft den Eindruck, das Maximum an Individualität, das uns heute zugestanden wird, ist die Farbe der Apple Watch.“ Siri Lang hat sich auch selbst zum Teil der Ausstellung gemacht. Was darf und will man von sich zeigen? Welche Rolle spiele ich? Dem spürte die Künstlerin nach. „Niemand weiß ja so wirklich, wer ich bin. Ich weiß es ja selbst oft nicht. Aber ich kann natürlich ganz leicht das von mir darstellen, was ich will, dass die Leute sehen.“ In der reduziertesten Form dieser Auseinandersetzung landet man zwangsläufig beim Körper in seiner ursprünglichsten Form: nackt. Um das eigene Spannungsempfinden damit im künstlerischen Prozess aufzuarbeiten, dienen ihr als Grundlage eines ihrer Werke die eigenen Brüste. Künstler sind empfindsame Seelen. Wie steht es um die Bewertung oder Kritik von außerhalb an ihrer Kunst? Nimmt sie das persönlich? „Ich habe das viel zu lange persönlich genommen. Jetzt nicht A

espresso HEY, SIRI! mehr“, sagt sie. Aber es war auch ein Punkt, warum sie die Kunst auf beruflicher Ebene nicht zielstrebiger verfolgt hatte. Sie ging immer einem Brotberuf nach, etwa als Unternehmensberaterin oder in Anstellung an der THI. „Ich war sehr lange darin gefangen, mich in der Kunst nicht frei ausdrücken zu können - aus Angst vor Reaktion und Bewertung. Es ist ja auch viel Persönliches drin. Man macht sich sehr angreifbar.“ Sie sei immer noch keine, die ihre Kunst „in die Welt schreien wird“, erklärt sie. Auf Instagram und ihrer Webseite rückt sie sich persönlich nicht ins Rampenlicht. „Ich habe das noch stark damit verknüpft, dass es nicht um mich gehen sollte. Aber es muss eigentlich um mich gehen. Kunst betrachtet man ja deshalb, weil man wissen will, BIN ICH SCHÖN? Die anatomische Darstellung einer Vagina ähnelt einem Pinguin, findet Siri Lang Text & Fotos Sebastian Birkl

25 espresso KIESCH Neues Bistro in Ingolstadt www.mode-maltry.de Öffnungszeiten: Mo - Fr 9.30 bis 18.00 Uhr Sa 9.30 bis 16.00 Uhr MONARI HERBSTMODE IN CAMEL UND DUNKELBLAU Frischen Wind in die Ingolstädter Gastro-Szene wollen Siri Lang und ihr Freund Tom Sandmair mit einem Kultur-Bistro bringen. Wie der Name schon verrät: im Kiesch darf man sich zur Mittagszeit auf handgemachte Mini-Quiches in verschiedenen Variationen und frische, saisonale Salate freuen (die ersten Kostproben gab es bei der Nacht der Museen in Siri Langs Atelier). Zusätzlich will das Paar einen Begegnungsort für die regionale Kulturszene und Kulturinteressierte schaffen. Im Kiesch ist daher eine kleine Bühne für kulturelle Events geplant. Auch Quizabende, Live-Podcasts, Lesungen, Spieleabende und Musikveranstaltungen sollen stattfinden. Noch ist das Kiesch im Zehenthof (Pfarrgasse 8) eine Baustelle. Zum Jahreswechsel soll es eröffnen. Nichts verpassen: www.kiesch.art und Instagram @kiesch.bistro AM ENDE SCHEINT MAN IMMER GEZWUNGEN ZU SEIN, SICH ZU ENTSCHEIDEN, WER MAN IST was der Künstler zu sagen hat oder welche Meinung er hat.“ Wenige Tage vor der Nacht der Museen sagt Siri Lang mit strahlenden Augen: „Ich will, dass es ein wunderbarer Abend wird.“ Von der Anzahl der Gäste macht sie das nicht abhängig. Zum fünften Mal öffnete Siri Lang ihr Atelier in der Reitkasernstraße im Rahmen der Nacht der Museen. Zum ersten Mal allerdings ganz offiziell auf Einladung des Kulturamts, in den vergangenen Jahren waren es quasi „Guerilla-Ausstellungen“. Im Kern helfen dieselben Freunde Jahr für Jahr mit. „Ich freue mich, dass sie da sind, dass wir zusammen sind und den Spaß unseres Lebens haben. Dann kann es nur gut werden. Alles andere ist on top.“ Rückblickend lässt sich feststellen: Gut besucht war ihr Atelier auf jeden Fall. Gleiches wünscht espresso künftig für Siri Langs neuestes Projekt: Ein Kultur-Bistro im Zehenthof. Mehr www.sirilang.de und Instagram @art_sirilang

espresso HUBERT KLOTZECK UND DIE KRAFT DER EMPATHIE Sonne im Herzen

27 espresso Wenn man Kunst und Kultur in Eichstätt sucht, kommt man an Hubert Klotzeck nicht vorbei. Eichstätt ist keine Metropole, doch wenn im Spätsommer das Festival Stadt.Land.Kunst beginnt - diesmal vom 25. bis 28. September - verwandelt sich die Stadt in ein weitläufiges Atelier. Einer der zentralen Köpfe dahinter ist der Fotograf und Galerist Hubert Klotzeck. Er betreibt die Galerie bildfläche am Bahnhof, wo sich Ausstellung, Druckwerkstatt und Treffpunkt der Szene verbinden. Vor allem aber ist er jemand, der Menschen sichtbar macht, die sonst leicht übersehen werden. Stadt.Land.Kunst 2025 Das Festival steht in diesem Jahr unter dem Motto „Transformationen“. Mehr als 30 Orte öffnen sich: Galerien, Kirchen, Plätze, Ateliers. Besucher erwartet ein breites Programm – Ausstellungen, Performances, Lesungen, Musik. Das verbindende Motiv lautet „Gelb ist Programm“: als Farbe der Aufmerksamkeit, der Wärme, des Aufbruchs. Ein fröhlicher Farbtupfen gegen das triste Grau der Stadt. Es begann mit einem Drainagerohr, das Klotzeck sofort ins Auge stach und so kam ein gelber Gegenstand zum anderen: Zitronen, Küchenschwämme, Plattencover, Schreibmaschinen, Kinderspielzeug, Maggi uvm. geben seinem Atelier aktuell die gewisse Würze. Wer sich ein Stück "Gelb" mit nach Hause nehmen möchte, der kann das schon für neun Euro. "Die kleinen Gehirne aus dem 3-D-Drucker sind ein beliebtes Geschenk", lacht er. Vor allem Frauen würden es gerne an Ehemänner, Freunde und Chefs verschenken. Das Gelb könnte man auch als eine Metapher für das sehen, was seine Arbeit durchzieht: Helligkeit, Empathie, Zuwendung. Wer seine Portraits betrachtet, spürt diese innere Wärme. Gemeinsam mit der Künstlerin Dina Umin portraitierte er ukrainische Frauen, die nach Eichstätt geflüchtet sind. In seinen Bildern und Geschichten erscheinen sie nicht als anonyme Opfer, sondern als Persönlichkeiten – verletzlich und stark zugleich. Auch im Altenheim hat er seine Kamera aufgestellt. Die Portraits der Bewohnerinnen und Bewohner zeigen authentische Gesichter voller Leben, Falten wie Landkarten. Er redet mit ihnen, schenkt ihnen Zeit. Das ist nicht selbstverständlich. Ähnlich feinfühlig arbeitet er mit Menschen mit Behinderung. Seine Bilder entziehen sich jeder Zuschreibung. Sie zeigen schlicht Menschen, mit Würde und Eigenheit. Fotos: Stefanie Herker Hubert Klotzeck vor seinem Projektraum bildfläche im September 2025 in Eichstätt.

espresso HERR MÜLLERS (damals 92 JAHRE) Was würden Sie der jüngeren Generation mitgeben? Was ist wichtig im Leben? „Meine Familie geht mir über alles! Das Angebot ist enorm und verführerisch, wer denkt schon immer an Arbeit? Ich schau mir die Arbeiter hier in der Spitalstadt an und bei dieser Hitze müssen die arbeiten." "Jeder möchte einen ruhigen Beruf und nichts zu tun, das ist ein Naturtrieb, nix tun, weil ausruhen muss man. Aber der Sinn des Lebens - meiner Ansicht nach - ist ein Ziel haben. Ein Ziel müsste man schon erreichen. Das ist einem höchstens möglich, wenn man älter ist, da schaut man vorwärts. Sein Ziel sollte man mit den einfachsten Mitteln erreichen, mit möglichst wenig Aufwand." "Drei Blicke tu zu deinem Glück - schau aufwärts, nach vorne und zurück, das habe ich mir gemerkt. Darüber habe ich einen Aufsatz geschrieben und bin ins Begabtenförderwerk aufgenommen worden." HUBERT KLOTZECK Neben seinen Portrait-Projekten zum Thema Integration, im Altenheim in Eichstätt und zu den geflüchteten Ukrainerinnen, entstehen bei ihm Serien über Wolken, über Rost, über „Nicht-Orte“. Mit Installationen wie dem "Artomat", einem ehemaligen Zigarettenautomaten, der kleine Kunstwerke ausgibt, senkt Klotzeck bewusst die Schwelle zu Kunst. Sein Ansatz: Teilhabe statt Exklusivität. Mehr Einblicke: www.galeriebildflaeche.de @hubertklotzeck @projektraum_bildfläche www.stadtlandkunsteichstaett.de Foto: Klotzeck Foto: Herker Ihre Zahnarztpraxis für märchenhaft schöne Zähne! Öffnungzeiten: Mo, Di & Do 7:30 - 12:30 & 14:30 - 20:00 Uhr Mi & Fr 8:30 - 12:30 Uhr Pfarrgasse 6 · 85049 Ingolstadt Tel.: 0841 93139 31 · www.zahnersatz-ingolstadt.de Zahnlos?? Muss nicht sein... Feste dritte Zähne an einem Tag mit dem Comfour System Mit dem COMFOUR® System erhalten zahnlose Patienten die Möglichkeit einer sofort verfügbaren, komfortablen und festsitzenden Versorgung auf in der Regel vier oder sechs Implantaten – und damit ein deutliches Plus an Lebensqualität. Lange Einheilzeiten mit Provisorium fallen weg. Am gleichen Tag verlassen Sie die Praxis mit schönen, festen Zähnen. Zeig dem Leben schöne Zähne! Dr. Meike Knott Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie

29 espresso VON STEFANIE HERKER Wie oft werden Sie von fremden Menschen unter Tränen angerufen? An einem Tag im September kam es bei mir dazu. 50 Minuten. Wir haben zusammen geweint. Ein bisschen gelacht. Und ich habe sie nicht vergessen. Ihr Appell: „Frau Herker, Sie müssen darüber schreiben.“ Elfi – so nenne ich sie hier – ist 85 Jahre alt. Ihr Leben lang war sie eine selbstständige Frau. Mitte dreißig wurde sie geschieden, allein zog sie ihre Kinder groß, später kamen Enkel dazu. Sie arbeitete, pflegte ihr Haus, ihren Garten in Reichertshofen, wo sie fast 80 Jahre lang lebte. Ihr Kopf ist wach, ihre Erinnerungen klar. Nur wenn sie von ihrem jetzigen Leben spricht, klingt sie mutlos. Seit drei Jahren lebt sie in einem Altenheim in Ingolstadt – ihrem dritten Heim. „Drei Mal habe ich gehofft, dass es besser wird“, sagt sie, doch "es fehlt einfach überall.“ Zu wenige Pfleger:innen, der Tagesrhythmus ein Takt aus Aufstehen, Warten, Schweigen, Hinlegen. „Wir zahlen 2600 Euro im Monat. Für was?“, fragt sie. Ihre Stimme zittert, nicht aus Schwäche, sondern aus Wut und Traurigkeit. Und doch: Auf das Personal vor Ort will sie nichts kommen lassen. „Die geben, was sie können. Aber sie sind selbst am Limit. Man kann nicht schimpfen, wenn keiner mehr Zeit hat, sich überhaupt hinzusetzen.“ Was sie am meisten bedrückt, ist die Leere. Die Menschen hier wandeln umher wie Schatten. Viele sind nicht mehr bei klarem Verstand. "Ich schon. Und gerade das ist das Schlimmste – ich sehe und spüre alles. Ich weiß, wie sehr es an allem fehlt.“ Aber keiner hört hin. „Wissen Sie, ich bin zur Wahrheit erzogen worden. Ich muss die Tatsachen einfach benennen. Niemand von meinen Kindern oder hier im Heim will hören, wie wir uns fühlen, dass es uns traurig macht, wie wir hier leben." "Die Menschen hier sind abgestumpft, sie nehmen es hin, wie es ist.“ Elfi zieht eine Linie von früher nach heute: „Ich würde behaupten, dass wir trotz Krieg eine bessere Gemeinschaft hatten damals. Früher hat die ganze Straße zusammengehalten. Wenn man ein Ei brauchte oder Hilfe, ging man zum Nachbarn. Heute ist vieles anonym, Menschlichkeit fehlt manchmal. Das macht mir große Sorgen. Die Gier und die Macht der Menschen war schon immer ein Problem. Aber heutzutage hat jeder alles, man braucht den anderen nicht mehr. Das schwächt uns als Gesellschaft.“ Dann lacht sie kurz: „Trotz Krieg, wir hatten keine Angst. Wir hatten ja unsere Eltern." Ihr Papa war Schmied bei der Bahn. Von ihrer Mama weiß sie, diese war bereits als Kind auf einem Bauernhof als Magd, später als Köchin beschäftigt. "Sie hatte Kraft – mental und körperlich. Sie wurde 96 Jahre alt, und ich habe sie zehn Jahre lang gepflegt. Meine Mama war ein Diamant. Eine Frau, die nie klagte, die uns immer mit Wärme und Essen versorgte, selbst wenn es kaum etwas gab. Von ihr habe ich gelernt, was Zusammenhalt bedeutet – und dass man die Wahrheit aussprechen muss, auch wenn es weh tut.“ Es sei eine arme, aber für sie auch schöne Zeit gewesen. "Ich würde sagen, wir waren mindestens genauso glücklich und zufrieden wie die Kinder heutzutage – obwohl wir nichts hatten.“ Ich frage sie, ob sie meinen Besuch möchte oder wie ich ihr helfen kann. "Sie können mir nicht helfen", sagt sie. Aber sie bittet mich, darüber zu schreiben. „Es ist eine Schande, wie mit uns umgegangen wird“, mahnt sie. Und sie hat Recht. Es ist eine Schande – für ein Land wie Deutschland, für ein politisches System, das seit Jahren zuschaut, wie die Strukturen zerfallen. Es ist die Generation, die nach dem Krieg Trümmer weggeräumt, Felder bestellt, Fabriken am Laufen gehalten, Kinder großgezogen hat. Sie haben geschuftet, eingezahlt, vertraut – auf das Versprechen, im Alter nicht vergessen zu werden. Doch heute sitzen viele von ihnen in Altenheimen, in denen das Personal kaum noch Zeit hat, ein Gespräch zu führen oder eine Hand zu halten. Der Pflegenotstand ist längst zur Dauerkrise geworden. Pflegekräfte arbeiten am Limit, Betreuung wird auf Minutenpläne reduziert, und die Würde alter Menschen bleibt auf der Strecke. Währenddessen genehmigt die Politik hunderte Millionen Euro für einen Kanzlerbau mit Hubschrauberlandeplatz und Pipapo. Für Prestige ist Geld da – für Menschlichkeit nicht. Doch was fehlt, ist nicht nur Geld, sondern Verständnis, dass Pflege nicht einfach als Kostenfaktor abgetan werden darf, sondern eine zentrale öffentliche Aufgabe ist. Was fehlt, ist Fantasie – Mut zu neuen Ideen. Warum nicht endlich Modelle fördern, die Gemeinschaft und Nähe stärken? Warum nicht Pflegeberufe so aufwerten und entgelten, dass junge Menschen sie mit Stolz ergreifen, statt ihnen auszuweichen? Und wenn über eine Rückkehr der Wehrpflicht diskutiert wird, warum dann nicht stattdessen ein verpflichtendes soziales Jahr für alle jungen Menschen? Nicht als billige Lückenfüller, sondern als gesellschaftliches Bekenntnis: Solidarität ist wichtiger als Kasernen. Nähe und Verbundenheit sind ein Weg zu einer friedlichen Gemeinschaft. Ein Land, das Milliarden in Beton gießt, sollte auch den Mut haben, Milliarden in Menschlichkeit zu investieren. Die Politik spricht gern von „Würde im Alter“. Elfi lebt die Realität. "Es ist eine Schande, wie mit uns umgegangen wird" Arunf der

espresso Der LiebESdienst MICHAEL VON BENKEL

31 espresso Mein Name tut nichts zur Sache. Ich habe eine Psychose. Aber ich kann niemandem davon erzählen. Als ich erst durch mein Examen falle, mich meine Freundin verlässt und schließlich auch noch ihr neuer Freund erschlagen wird, finde ich mich in einem Albtraum wieder, aus dem es kein Entkommen gibt. Wie ist es, Stimmen zu hören, sich aufgrund seiner Gefühlswelt komplett anders zu fühlen? Wie fühlt es sich an, ein Mörder zu sein? Am liebsten hört Michael von Benkel die Stimmen seiner lieben Frau, der drei Kinder und sieben Enkelkinder. In seinem neuen Buch geht es auch nicht um ihn, der fremde Stimmen hört, "aber ich kenne es aus meinem Beruf." Als Strafrichter am Ingolstädter Amtsgericht sind ihm Psychosen, Mord und Totschlag nicht ganz fremd. "Ich habe schon viele Mörder gesehen. Und manche berichten davon, dass sie Stimmen hörten, die sie zum Mord getrieben hätten." In seinem neuen Buch "Der Liebesdienst" schildert er zwei Liebesgeschichten und eine Bluttat. Er erzählt davon, wie sich ein ganz normaler Typ durch eine Psychose verändert, plötzlich Stimmen hört - und dann zum Mörder wird. "Niemand ist von psychotischen Erkrankungen gefeit. Es gibt Erhebungen, dass ein Viertel aller Menschen einmal im Leben eine psychotische Phase haben. Traumata oder Konflikte können so etwas auslösen", erklärt Michael von Benkel. "Im Zusammenhang mit Gewalttaten, ist Alkoholkonsum aber deutlich gefährlicher als eine Psychose", stellt er klar. An seinem Buch hat er knapp fünf Jahre geschrieben, sich mit befreundeten Ärzten, u. a. vom Klinikum Ingolstadt, ausgetauscht, und es von einem Psychiater lesen lassen. Gruselige Geschichten kann von Benkel viele erzählen, allerdings wären die meisten Taten "Beziehungstaten aus dem Affekt und nicht die von Psychopathen." "Dass Täter Agatha-Christie-mäßig Spuren verwischen - das kommt in den allermeisten Fällen nicht vor." Die meisten Menschen, die er im Gericht vor sich habe, würden die Tat bereuen. "Natürlich sind es auch Menschen." Er erinnert sich an eine Frau, die lange von ihrem Mann gequält wurde und sich dann MICHAEL VON BENKEL arbeitet als Strafrichter am Amtsgericht Ingolstadt. Er ist Mitglied der Künstlergruppe "Art Experiment" und leitet den regionalen Autorenkreis. Er ist Träger des Literaturpreises "Goethes Schlittschuh". Seit 2014 hat er sieben Bücher mit Kurzgeschichten und Romanen veröffentlicht. Text & Fotos Stefanie Herker irgendwann wehrte. Oder an langjährige Arbeitskollegen, die Freunde waren, bis einer im Streit dem anderen eine Waffe an die Schläfe hielt und im Affekt abdrückte. Für von Benkel ist klar: Die Verfügbarkeit von Waffen bedeute mehr Waffengewalt. "Allein in New York passieren in einem Jahr etwa zehnmal so viele Morde wie in ganz Deutschland." Dennoch gäbe es auch in Deutschland genügend Psychopathen. Das sind nicht alles Psychokiller, sondern eben auch "Führungskräfte oder Politiker", schmunzelt er. "Die CEOs sind oft psychopathisch veranlagt - fehlende Empathie." Wer einmal in die Gedankenwelt eines Mörders eintauchen möchte, für den hat Michael von Benkel "Der Liebesdienst" geschrieben. Verlag: Miller E-Books ISBN: 978-3-95600-949-5 Buch-Cover: Anton Tyroller

14 espresso LET'S PLAY ART Eine eiserne Regel in Museen lautet: Nicht anfassen! Kunst ist – buchstäblich – Ansichtssache. Nicht immer, aber oft genug. Der Berliner Medienkünstler Robin Baumgarten verfolgt einen ganz anderen Ansatz: Für ihn steht die Interaktion im Mittelpunkt. Sein künstlerischer Ursprung liegt nicht im Atelier, sondern in der Welt der Videospiele. Am 18. Oktober ist er im Rahmen der Art & Beat Party des Museums für Konkrete Kunst in Ingolstadt zu Gast. Foto: Ida Høyrup, Exploratorium SF

33 espresso ine süße Katzenpfote schiebt sich vorsichtig durch einen Türspalt, um mit der Metallfeder eines Türstoppers zu spielen. Vielleicht kennen Sie dieses virale Internetvideo, viele Millionen Mal wurde es angeklickt. Robin Baumgarten dachte sich damals: „Wenn das einer Katze so viel Spaß macht, dann vielleicht auch einem Menschen.“ Für den Berliner war es der erste Impuls. Ein Impuls, der ihn an viele aufregende Orte auf der ganzen Welt führen sollte. Seine Werke bestehen im Wesentlichen aus zwei Dingen: Den Federn. Und LEDs. Alles begann 2014 mit dem Line Wobbler. Quasi ein eindimensionales Computerspiel auf einem LED-Streifen, gesteuert über eine simple Metallfeder als Joystick – minimalistisch, aber mit allem, was ein Spiel braucht: Level, Gegner, Spielfreude. Das Werk wurde schnell mehr als nur ein kurioses Game. Der Line Wobbler traf den Zeitgeist. Er kam, als Computerspiele auch in der Kunstwelt langsam Anerkennung fanden. Museen zeigten ihn in Ausstellungen. Gleichzeitig wurde er mit internationale Spieleentwicklerpreisen ausgezeichnet. Von Brasilien bis Südafrika, von der Tokyo Game Show bis zum Burning Man in der Wüste Nevadas verschlug es den Berliner seither mit seiner interaktiven LED-Kunst. „Da habe ich Blut geleckt“, erzählt Baumgarten. Vor rund sieben Jahren entstand dann in Kooperation mit der Aalto-Universität in Helsinki das Projekt Quantum Garden und später der größere Quantum Jungle (linke Seite): eine verspielte, interaktive Visualisierung von Quantenphysik, inspiriert von Schrödingers Katze. Die Installation kam bei Publikum wie Wissenschaftlern gleichermaßen gut an und ist bis heute bei Festivals, in Museen oder an Universitäten zu erleben. Und bald auch in Ingolstadt bei der Art & Beat Party. Beim Quantum Jungle ist man dann auch sehr nah am eingangs erwähnten Katzenvideo angelangt. 1008 berührungsempfindliche Federn lassen sich hier in sämtliche Richtungen biegen. Bei Berührung breitet sich dank LEDs ein bunt-leuchtendes Farbmeer aus. Trotz der wissenschaftlichen Bezüge und der Anerkennung in der Kunstwelt bleibt Baumgartens Fokus derselbe: Interaktion und Spielspaß. „Hohe Kunst ist mir sogar ein bisschen egal“, sagt er. „Es geht darum, die Leute zu begeistern, sie zu flashen. Hinterrücks kommt dann die Wissenschaft daher und man lernt ein bisschen was“, lacht er. Die technische Umsetzung macht dem studierten Informatiker (der einige Jahre als Spieleentwickler arbeitete) selbst am meisten Spaß, aber auch das Ganze künstlerisch ansprechend zu gestalten, ist ihm wichtig. „Ich bin in beiden Welten zuhause“, sagt der Medienkünstler. Eine neuere Entwicklung ist der Hyper Wobbler, eine kooperative Multiplayer-Variante des ursprünglichen Line Wobblers. Spielfläche ist ein Dodekaeder, also ein 12-seitiger Würfel (s. Foto unten). Neben dem Line Wobbler und dem Quantum Jungle bringt Baumgarten auch den Hyper Wobbler mit nach Ingolstadt. Wer Kunst nicht nur anschauen, sondern mit ihr spielen will, kommt am 18. Oktober bei Art & Beat vorbei. E Stiftung für Konkrete Kunst und Design Ingolstadt präsentiert: Reimanns TH Ingolstadt Esplanade 10 18/10/25 ab 19 h art & beat oben Der Hyper Wobbler (li.) und die Metallfedern des Quantum Jungles in Nahaufnahme links Robin Baumgarten studierte Informatik in Münster und London. Die verwendeten Türstopperfedern sind in London - im Gegensatz zu Deutschland - weit verbreitet. Die erste Version des Line Wobblers entwickelte er auf einemTreffen für Spieleentwickler. Die erste Feder dafür stammte aus einem Schuhspanner seiner Oma. Mehr wobblylabs.com und Instagram @robin.wobbles Fotos (2): Robin Baumgarten Foto: Christoph Mischke

espresso Anzeige 34 NACHTS IM MUSEUM Die Qual der Wahl hatten die Besucherinnen und Besucher auch heuer wieder bei der Nacht der Museen. Sogar mehr als sonst. Mit den privaten Ausstellungsräumen MALIPA (Patricia Spreng), Atelier No 1 (Siri Lang), Tongewölbe T25 (Andreas und Manuela Wittmann) und der Galerie von Elfriede Regensburger kamen vier neue Stationen hinzu. Insgesamt besuchten rund 3.000 Besucherinnen und Besucher die 16 Veranstaltungsorte. Die Entscheidung, die Nacht der Museen weiter zu öffnen, war goldrichtig. Mehr ist manchmal einfach doch besser. Beispielhaft sei der Talk mit dem Top-Fotografen J. Konrad Schmidt herausgegriffen. Diesen hatte Patricia Spreng in ihre Galerie MALIPA in der Taschenturmstraße geladen. Das Thema: Künstliche Intelligenz und Fotografie. Nachdem anfangs ein paar vermeintliche Notwendigkeiten abgeklopft wurden (Was ist KI? Welche Chancen und Gefahren birgt sie?) entwickelte sich schnell eine lockere Gesprächsrunde zwischen Schmidt und dem (im nur 25 qm großen Raum) dichtgedrängten Publikum. Das lag einerseits an der nahbaren Art des Fotografen, andererseits war auch das Publikum, wie sich herausstellte, ziemlich gut über KI informiert. Im Grunde verdeutlichte die angeregte Diskussion aber vor allem eines: Wie hoch der Redebarf bei diesem Thema ist. Mit Aussagen wie "KI wird sich in 5 Jahren erledigt haben" (dabei sei an das Zitat des ehemaligen IBM-Chefs aus den 1940ern erinnert: Ich glaube, dass es weltweit einen Markt für (...) fünf Computer geben wird) und "Der Energiebedarf wird der KI den Garaus machen" waren auch skep1 Patricia Spreng lud den renommierten Fotografen J. Konrad Schmidt (li.) und den Künstler John Schmitz (re.) zum Talk in ihre Galerie MALIPA in der Taschenturmstraße. Schmidt fotografierte schon Topmodels wie Naomi Campbell und Toni Garrn, Schauspielerinnen wie Karoline Herfurth und Sibel Kekilli oder Politikerinnen wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Bärbel Bas 2 Im MALIPA lagen zwei von Schmidts Bildbänden (Hôtel Noir und Hôtel Noir II) aus 3 Wer sich eingehend mit der menschlichen Anatomie auseinandersetzen wollte, war im Deutschen Medizinhistorischen Museum bestens aufgehoben 4 Die grundsympathische Künstlerin Marina Pohl (aus Neuburg, lebt in Berlin) hat in der Galerie im Theater "einen Lebensraum für die innere Wildnis" geschaffen. Zeichnung von Marina Pohl. Fühlen wir uns manchmal nicht alle so? 1 2 3 4 Fotos: Sebastian Birkl

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