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espresso Anzeige 4 BELLA ITALIA IM HERBST Gleich zwei Modenschauen voller Lebensfreude, Stil und Inspiration - BEA MODE zeigte in Ingolstadt ihre Herbstkollektion 2025. Zwischen fließenden Stoffen, warmen Farbtönen und liebevollen Details wurde spürbar, worum es bei Mode wirklich geht: sich wohlfühlen, sich zeigen dürfen, Freude am eigenen Ausdruck. Die Models präsentierten italienische Trends – elegant, aber tragbar, schick, aber alltagstauglich. Das Publikum feierte jedes Outfit mit Applaus, und die Atmosphäre war geprägt von Leidenschaft für Mode. „Wir sind einfach dankbar für all die Menschen, die unsere Fashion Modenschau 2025 möglich gemacht haben“, sagte Bea Schimmel-Weber, Inhaberin von BEA MODE „Mode bedeutet für uns Lebensfreude – und genau das wollten wir zeigen.“ Fotos: Markus Banai
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8 VON STEFANIE HERKER WAS JANE GOODALL UNS ÜBER FRIEDEN LEHREN KANN Jane Goodall sagt: „Nur wenn wir verstehen, können wir uns kümmern. Nur wenn wir uns kümmern, werden wir helfen. Und nur wenn wir helfen, werden wir gerettet.“ In diesen wenigen Worten steckt alles, was Politik vergessen hat. Während rechte Bewegungen wachsen, während CDU und AfD Angst als Währung benutzen, vergessen wir, was uns wirklich schützt: Mitgefühl. Beide Parteien sprechen von Ordnung, von Grenzen, von dem, was „nicht mehr zumutbar“ sei. Sie reden von Sicherheit – aber sie meinen Kontrolle. Sie reden vom Volk – aber sie meinen Ausschluss. Und genau darin liegt die Gefahr: Wer ständig vom Schutz spricht, lernt nicht mehr, sich zu öffnen. Wer Angst sät, erntet Spaltung. Jane Goodall steht für das Gegenteil: für Geduld, für Hinsehen, für Zuhören. Sie hat ihr Leben damit verbracht, das Fremde nicht zu bekämpfen, sondern zu verstehen. Das fehlt den Regierungen auf der ganzen Welt so oft. Denn Frieden entsteht nicht durch Grenzen, sondern durch Begegnung. Nicht durch Härte, sondern durch Empathie. Wenn CDU und AfD das „Wir“ enger ziehen, verlieren wir etwas, das viel tiefer reicht als politische Haltung: unser Vertrauen ineinander. Unser Gefühl, Teil eines Ganzen zu sein. Doch ohne dieses Gefühl gibt es keinen Frieden – nicht in Europa, nicht in uns selbst. Jane Goodall erinnert uns an eine andere Logik: Frieden beginnt dort, wo jemand aufhört, den Feind zu sehen, und anfängt, den Menschen zu erkennen. Vielleicht ist das die eigentliche Revolution: In einer lauten, ängstlichen Welt sanft zu bleiben. Und sich zu kümmern, obwohl es unbequem ist. Denn nur dann – wie Jane Goodall sagt – können wir wirklich gerettet werden. Diese Ausgabe steht unter dem Motto "Was wir jetzt wirklich brauchen" und ist der britischen Forscherin und Friedensaktivistin Jane Goodall (1934 - 2025) gewidmet.
9 Liebe Leserinnen und Leser, "Was brauchen wir jetzt wirklich?" - das Thema dieser Ausgabe. Vielleicht ist das die ehrlichste Frage, die man sich in Zeiten wie diesen stellen kann. Wir haben unseren Blick auf das Wesentliche geschärft: Wir brauchen gesunde Böden. Denn das ist wortwörtlich unsere Grundlage für eine gute Zukunft. Die Bodenallianz Pfaffenhofen zeigt, dass Acker nicht nur Fläche ist, sondern Verantwortung. Wir brauchen Architektur, die atmet – wie die Projekte von nbundm* Architekten, die beweisen, dass klimafreundliches Bauen nicht Verzicht bedeutet, sondern Ressourcen schont und sogar die ein oder andere Erinnerung bewahrt. Wir brauchen Gemeinschaft statt Quadratmeterpreise – wie im Genossenschaftshaus in Ingolstadt, wo Wohnen wieder zu einem Miteinander führt. Ja, wir brauchen wieder ein Bewusstsein dafür, dass wir als Gesellschaft nur dann stark sind, wenn wir uns gegenseitig helfen. In meinem Essay „Oben gegen unten“ habe ich versucht, alte Denkmuster zu kippen. Nicht mehr links gegen rechts, dieses endlose Gegeneinander, das uns spaltet. Sondern oben gegen unten: die Frage, wer eigentlich entscheidet, wie wir leben – und wer die Folgen trägt. Was, wenn wir dem Populismus der Lauten nicht länger folgen, sondern den Leisen zuhören. Um zu spüren, was wir wirklich brauchen, haben wir zudem zwei Menschen gebeten, einen Rucksack zu packen, als müssten sie fliehen – und nur das Wichtigste mitnehmen. Was bleibt, wenn alles Überflüssige wegfällt? Diese Ausgabe ist ein Versuch, den Blick zu senken und zugleich zu weiten. Ihre Stefanie Herker, Chefredakteurin SABINE KACZYNSKI FIORELLA FERRARA MEDIENBERATERIN MOBIL: 0176/64028713 fiorella.ferrara@espresso-mediengruppe.de EVELIN RAFFALT MEDIENBERATERIN 0841/ 9812401 - 40 / MOBIL: 0172/8533599 raffalt@espresso-mediengruppe.in SEBASTIAN BIRKL SONJA MELZER marketing teamespresso editorial Outfit von Retzlaff Moden, Ingolstädter Straße 27 & 29, Pfaffenhofen Tel. 08441 84887 Mail: retzlaff.moden@online.de Instagram @retzlaff_moden Stefanie Herker Foto: www.thorsten-brieger.com
espresso Anzeige 114 Warum vieles nicht so schlimm ist, wie es scheint. Und warum wir trotzdem an uns arbeiten müssen. Ein Spalt geht durch Deutschland. Oder?
2 espresso 23 u darfst nicht alles glauben, was du denkst. Ist Deutschland wirklich so gespalten, wie wir uns fast schon mantraartig gegenseitig einreden? Zentrales Thema unserer Novemberausgabe: Was wir jetzt (wirklich) brauchen. Manchmal ist das einfach ein ganz nüchterner Blick der Wissenschaft. Dafür steht uns Kommunikationswissenschaftlerin Rebecca Strohmeier von der KU Eichstätt zur Verfügung. Sie forscht aktuell zum Thema "Konflikt und Kommunikation", in einem Forschungsprojekt unter dem griffigen Namen KOKO. Dabei handelt es sich um ein interdisziplinäres Forschungsprojekt aus Psychologie, politischer Soziologie und Journalistik. Die Gesamtleitung des Projekts liegt bei der Universität der Bundeswehr München, während eines von zwei Journalistik-Teams unter der Leitung von Prof. Dr. Annika Sehl an der KU Eichstätt-Ingolstadt steht (für Details siehe Kasten). Was bei KOKO auch eine Rolle spielt: Wie Medien ihre Berichterstattung verbessern können. INTERVIEW & FOTOS SEBASTIAN BIRKL Frau Strohmeier, beim Klima sprechen wir oft von Kipppunkten. Also Schwellen, bei deren Überschreiten es zu abrupten und unumkehrbaren Veränderungen kommt. Haben wir einen solchen Kipppunkt im „gesellschaftlichen Klima“ bereits erreicht? Die Debatten werden immer verbissener geführt. Das ist ein sehr schönes Bild, aber ich würde nicht sagen, dass sich das auf eine Gesellschaft anwenden lässt, weil diese sehr dynamisch ist. Man spricht aktuell gerne von einer „gespaltenen Gesellschaft“, also vom Bruch in verschiedene Lager. Da sehen wir tatsächlich Veränderungen. Allerdings lehne ich den Spaltungsbegriff ab, weil man damit behauptet, es sei schon alles zu spät. Dafür bin ich zu optimistisch - und die Zahlen geben das auch nicht her. In der Wissenschaft sprechen wir von Polarisierung und unterscheiden dabei drei Formen. Nämlich? Zum einen die Ideologische Polarisierung. Dabei geht es schlicht darum, dass Menschen zu einem Thema unterschiedliche Meinungen haben. Das ist grundsätzlich gut so, denn davon lebt eine Demokratie. Problematisch wird es bei der Affektiven Polarisierung. Hier kann man einen Trend beobachten. Es fehlt dabei an der Akzeptanz für andere Meinungen - und das Gegenüber wird emotional abgewertet. Das führt zu Spannungen und zur Verrohung der Debattenkultur. Die dritte Form ist die Wahrgenommene Polarisierung. Sie beschreibt, wie stark man selbst den Eindruck hat, dass die Gesellschaft gespalten ist - etwa durch Medienberichte, öffentliche Diskussionen oder das eigene Umfeld. Wer selbst affektiv polarisiert ist, also wenig Offenheit für andere Meinungen mitbringt, nimmt diese Spaltung stärker wahr. Diese Wahrnehmung ist oft verzerrt und wird durch die Medienberichterstattung zusätzlich verstärkt. Es gibt Studien, die zeigen, dass die Spaltung im Land gar nicht so groß ist, wie man annimmt. Das stimmt. In Deutschland herrscht oft relative große Einigkeit, etwa im Umgang mit dem Ukraine-Krieg oder der Bekämpfung des Klimawandels und sozialer Ungleichheit. Unterschiede gibt es bei D der Entscheidung über konkrete Maßnahmen. Dort herrscht das eigentliche Konfliktpotenzial. Im Forschungsprojekt KOKO untersuchen Sie u.a., wie Medienberichterstattung bei gesellschaftlichen Konfliktthemen idealerweise gestaltet sein müsste, um der Polarisierung entgegenzuwirken. Wie sollten Medien hier vorgehen? Die eine Antwort gibt es darauf sicherlich nicht. Bei KOKO arbeiten wir mit einem Konzept von Carsten Brosda, das sich Diskursiver Journalismus nennt. Journalist:innen sollen dabei eine aktivere Rolle in Diskursen übernehmen. Also Perspektivenvielfalt und Rationalität herstellen - und Offenheit und Verständnis für andere Positionen fördern. Die Rolle, die der Journalist dabei einnimmt, nennt sich Diskursanwalt. Das heißt aber nicht, dass er sich für einzelne Positionen stark macht. Er macht sich dafür stark, dass alle weiterhin miteinander reden. Das birgt eine hohe Anforderung, die sicherlich in einem gewissen Clash zur Realität steht. In einer Vorstudie konnten wir immerhin schon einmal zeigen, dass Diskursiver Journalismus Polarisierung nicht verstärkt. Weitere Untersuchungen führen wir gerade durch. Die Ergebnisse stehen noch aus. Andere Studien zeigen, dass Berichterstattung mit klassischem Fokus auf Konflikten - was ebenfalls wichtig ist - die (wahrgenommene) Polarisierung verstärken kann. Das tut Diskursiver Journalismus laut unseren bisherigen Daten nicht. Welche Rolle spielen etablierte Medien überhaupt noch bei der politischen Meinungsbildung? Soziale Medien laufen etablierten Medien den Rang ab. Extrem reichweitenstarke Podcaster haben gar kein Interesse daran, der Polarisierung entgegenzuwirken. Was polarisiert, wird geklickt. Und was geklickt wird, bringt Geld. Ist KOKO also vielleicht sogar irrelevant, wenn man es unter dem Ziel betrachtet, der Polarisierung wirksam entgegentreten zu können, weil man einem übermächtigen Gegner gegenübersteht? KOKO. KONFLIKT UND KOMMUNIKATION Zunehmende Polarisierungstendenzen, zwischenmenschliche Konflikte und eine Verrohung der Debattenkultur prägen zunehmend unser gesellschaftliches Zusammenleben. Das wirft wichtige Fragen auf: Auf welche Ursachen sind diese Entwicklungen zurückzuführen? Wie kann man ihnen entgegentreten? Und wie können demokratische Wertestrukturen gestärkt und zivilgesellschaftliche Diskurse wieder konstruktiver geführt werden? Das interdisziplinäre Forschungsprojekt „KOKO. Konflikt und Kommunikation“ hat zum Ziel, Antworten auf diese Fragen zu liefern. In der Journalistik untersuchen u.a. Prof. Dr. Annika Sehl und Rebecca Strohmeier von der KU, wie Polarisierungstendenzen in Auseinandersetzungen über gesellschaftliche Konfliktthemen die journalistische Arbeit beeinflussen und wie die Medienberichterstattung über diese Themen idealerweise gestaltet sein müsste, um den Polarisierungstendenzen wieder ein Stück weit entgegenzuwirken. KOKO wird durch dtec.bw – Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung Bundeswehr – gefördert. dtec. bw wird von der Europäischen Union – NextGenerationEU finanziert. Mehr: https://dtecbw.de/home
espresso Anzeige 12 » Eigentlich trägt jeder dazu bei, der nicht reflektiert mit Inhalten umgeht « Ich würde da gerne ein bisschen den Wind aus den Segeln nehmen. In Deutschland, ist es im Bereich Social Media so, dass für die breite Mehrheit traditionelle Nachrichtenmedien immer noch die wichtigste Informationsquelle sind. Das zeigt der Digital News Report seit Jahren. Aber natürlich treffen manche Influencer und Podcaster gerne deutlich überspitzte Aussagen. Die Forschung zeigt, dass sich solche Inhalte sehr viel schneller verbreiten und ein höheres Engagement haben. Die allermeisten Leute sind aber nicht in einer extremen Filterblase gefangen, da kommt immer noch diverser Content an. Die Frage ist dann eher, wie die Leute mit diesem diversen Content umgehen - da fehlen uns gerade noch die Aussagen dazu. Sie gehen bei KOKO auch auf Ursachenforschung. Welche Ursachen konnten Sie für die zunehmende Polarisierung und die Verrohung der Debattenkultur finden? Vorab muss man sagen, dass dazu noch Langzeitstudien fehlen. Nur, weil wir möglicherweise eine starke Verrohung und Polarisierung wahrnehmen, heißt das nicht, dass es tatsächlich so ist. Stichwort: Wahrgenommene Polarisierung. Aus Perspektive der Journalistik ist hier eine spannende Frage, inwiefern diese Wahrnehmung durch Social-Media-Algorithmen gefördert wird. Oder die Rolle von Medien mit ihren verkürzten Überschriften und Clickbaiting. Das schauen wir uns bei KOKO aber nicht konkret in Zahlen an. Bei den Psycholog:innen ist die Ursachenforschung ein recht großes Thema. Sie haben herausgefunden, dass Empathie ein sehr wichtiges Stichwort ist. Also: Wie gut kann ich verstehen, warum andere Leute eine andere Meinung haben? Das ist kognitive Empathie. Aber vor allen Dingen spielt die affektive Empathie eine Rolle. Also: Wie gut kann ich mich in eine andere Person hineinfühlen? Wie gut kann ich auf einer Gefühlsebene verstehen, warum sie so denkt? Eine hohe kogniREBECCA STROHMEIER (geb. 1998 in München) studierte nach ihrem Abitur an der LMU München Kommunikationswissenschaft und Soziologie. Anschließend schloss sie dort ihr Masterstudium der Kommunikationswissenschaft ab. Während ihres Studiums sammelte sie unter anderem Praxiserfahrungen im Lokal- und Onlinejournalismus sowie in der Unternehmenskommunikation und im Personalwesen. Von September 2021 bis März 2023 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im interdisziplinären dtec.bw-Forschungsprojekt „Konflikt und Kommunikation“ (KOKO) an der Universität der Bundeswehr München tätig. Im April 2023 wechselte sie an die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, wo sie am Lehrstuhl von Prof. Dr. Annika Sehl für Journalistik mit dem Schwerpunkt Medienstrukturen und Gesellschaft weiterhin am KOKO-Projekt mitwirkt. In ihrer Forschung befasst sie sich vor allem mit Journalismus im Kontext gesellschaftlicher Konflikte, diskursivem Journalismus, Konfliktdynamiken und Polarisierung sowie News Avoidance. » Medienbildung sollte sehr viel früher verankert werden «
13 espresso tive Empathie kann Polarisierung abschwächen, eine hohe affektive Empathie kann sie aber erstaunlicherweise verstärken. Das triggert schnell eine Ablehnung von anderen. Spielen hybride Kriegsführung und Desinformationskampagnen keine Rolle in der Ursachenforschung? In unserer Studie ist das nicht das zentrale Element, aber man kann es natürlich definitiv nicht ignorieren. Vor allem in Sozialen Medien geht es ja mitunter darum, Empörungswellen hervorzurufen und ein Bild davon zu erschaffen, man hasse sich gegenseitig. KOKO will auch herausfinden, wie demokratische Wertestrukturen gestärkt und zivilgesellschaftliche Diskurse wieder konstruktiver geführt werden können. Wie kann das gelingen? Im Idealfall durch Diskursiven Journalismus. Aber da stehen die Zahlen noch aus. Ein spannender Teil unseres interdisziplinären Projekts: Die Psycholog:innen des Teams* waren in ganz Deutschland unterwegs und haben mit unterschiedlichsten Personen über Alltagskonflikte gesprochen. Aus diesen Gesprächen haben sie bestimmte Situationen herausgegriffen und von Psychologen einordnen lassen. Daraus sind YouTube- und Tiktok-Videos entstanden. Bei Befragten, die diese Videos über einen längeren Zeitraum gesehen haben, hat es dazu beigetragen, dass sie mehr darüber gelernt haben, wie Konflikte entstehen, wie man damit umgehen kann - und sie haben auch mehr Verständnis dafür bekommen, mit welchen Motiven andere Leute Konflikte führen. Das funktioniert tatsächlich. Das sind natürlich sehr kleine Effektstärken, es ist also nicht so, dass man sich einmal so ein Video anschaut und dann Frieden herrscht. Aber es zeigt schon, dass man etwas tun kann. Und das ist auch eine relativ niedrigschwellige Intervention. In Diskussionen gibt es oft so extreme Positionen, dass es manchmal sehr schwer fällt, die andere Seite verstehen zu wollen … Ja, das ist eine Grundsatzfrage, die man diskutieren kann. Habermas (Philosoph der Frankfurter Schule, Anm. d. Red.), auf dem unser Diskursanwalt basiert, würde sagen: Wenn man der Logik des stärkeren Arguments folgt, muss man erstmal akzeptieren, dass es diese Meinung gibt. Im Idealfall ließen sich die Personen, die diese Meinung vertreten, dann aber durch sachliche Argumente überzeugen. Das ist natürlich in der Praxis oft nicht so und das ist auch eine große Kritik an dieser Theorie. Persönlich würde ich Ihnen also absolut zustimmen, dass irgendwo eine Grenze zu ziehen ist. Die Frage, wie man wissenschaftlich damit umgeht, ist immer daran gekoppelt, mit welcher theoretischen Brille man drauf guckt. Welche Rolle spielen Politiker bei der aufgeheizten Stimmung? Trump versucht in den USA die Demokratie einzureißen. In Deutschland floriert die AfD. Alles keine Akteure, die Interesse an einem sachlichen Diskurs haben. Politikerinnen und Politiker spielen auf jeden Fall eine Rolle. Zumindest, wenn es darum geht, wie stark wir als Gesellschaft den Eindruck haben, dass alles auseinanderbricht oder Konflikte zunehmen. Das liegt auch daran, dass Politiker zentrale Akteure auf der öffentlichen Bühne sind und sehr genau wissen, wie Medienlogik funktioniert. Als Politiker möchte man ja auch Aufmerksamkeit generieren - und mit überspitzten Aussagen Gegenreaktionen hervorrufen. Aber sie sind nicht die einzige Gruppe, die daran beteiligt ist. Welche Gruppen meinen Sie? Die Medien, die die Aussagen der Politik aufnehmen und verarbeiten. Roger de Weck spricht in seinem Buch „Das Prinzip Trotzdem. Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen“ von einer herrschenden Aufregungsökonomie anstelle einer Aufmerksamkeitsökonomie. Medien müssen für Klicks schnell sein und Themen ausschlachten. Überschriften werden dann oft verkürzt oder überspitzt formuliert, etwa, um mit Clickbaiting Aufregung und damit Aufmerksamkeit für die eigenen Inhalte zu generieren - mitunter aus hohem ökonomischen Konkurrenzdruck. Es gibt außerdem weitere Studien, die zeigen, dass eine auf Social Media extrem erfolgreiche AfD selbst gar nicht so viel Content produziert. Es gibt sehr viele Fans und Fan-Kanäle mit hoher Reichweite, die das übernehmen. Die AfD nutzt diese Inhalte. Das sind aber nur Beispiele. Eigentlich trägt jeder dazu bei, der nicht reflektiert mit Inhalten umgeht. Auch wenn ich die ganze Situation nicht so schwarz sehe, spricht meines Erachtens viel dafür, dass Medienbildung, also etwa kritisches Reflektieren von Inhalten, sehr viel früher in der Bildung verankert werden sollte. Vielen Dank für das Interview, Frau Strohmeier. » Wer selbst wenig Offenheit für andere Meinungen mitbringt, nimmt die Spaltung stärker wahr « * Die wissenschaftliche Begleitstudie zu den Videos wurde von Prof. Dr. Elisabeth Kals geleitet und von Dr. Martina Grunenberg durchgeführt. Die Videoproduktion und die Deutschlandtour oblag dem Psychologie-Team der Uni Bw M.
14 espresso "We need leaders not in love with money but in love with justice. Not in love with publicity but in love with humanity." - OBEN Martin Luther King Jr. GEHT ES UNS WIRKLICH ALLEN GUT, WENN DIE WIRTSCHAFT BOOMT? EIN VERHÄNGNISVOLLER TRUGSCHLUSS. UND DIE ERKLÄRUNG, WARUM WIR UNS ALS GESELLSCHAFT GEGENEINANDER AUSSPIELEN LASSEN. Fotos: Herker/midjourney.com UNTEN gegen
15 espresso werden wir schlicht verblendet und glauben, dass Klimaschutz abwählbar wäre. Die moralische Schieflage Die Empörung zielt nach unten, nicht nach oben. Wer Bürgergeld bezieht, gilt als verdächtig. Wer Erbschaften steuerfrei weitergibt, als tüchtig. Die Bundesagentur für Arbeit zählte 2023 rund 16 000 Sanktionen gegen Erwerbslose. Im Wahlkampf sprach die CDU von 30 Milliarden Einsparungspotential beim Bürgergeld - wenige Zeit später plötzlich nur noch von fünf. Selbst diese Zahl halten Experten für unrealistisch. Mittlerweile sind wir bei unter 100 Millionen. Der jährliche Schaden durch Steuerhinterziehung wird auf bis zu 200 Milliarden Euro geschätzt. Doch wer wird kontrolliert? Wer verteidigt? Söders Ehefrau betreibt ein millionenschweres Immobilienunternehmen. Das hindert ihn nicht daran, jede Form der Vermögenssteuer als „Leistungskiller“ zu diffamieren – seine eigene Familie profitiert genau von diesem System. Von Volksnähe ist Söder im realen Leben weit entfernt. Firmen-Erb:innen zahlen im Schnitt 1,5 % Steuern. Dieses System belohnt Besitz und bestraft Arbeit. Und wer es kritisiert, gilt als neidisch. Zu viele Menschen erleben täglich, dass ihre Anstrengung weniger zählt als Beziehungen, Erbe oder Besitz. Unsere Moral hat die Richtung verloren. Aber wer den Fehler nicht bei sich suchen will, braucht Sündenböcke: Arme, Migranten, Pflegebedürftige. Und da liegt die wahre Gefahr: Wir lassen uns spalten - durch die Rhetorik der Politiker:innen. Die Regierung und die von Millionären finanzierten Plattformen wollen nicht faktenorientiert, wahrheits- und sachgemäß kommunizieren. Sie wollen uns im Griff haben. Und wir fallen (massenweise) darauf rein. Wachstum für wen? In Deutschland besitzen die reichsten zehn Prozent mehr als die Hälfte des Vermögens. Der Soziologe Fabian Pfeffer warnt: „Vermögensungleichheit gefährdet den Zusammenhalt – und die Demokratie.“ Satirischer könnte die Welt derzeit kaum sein: Während weltweit Rechtsradikale und VON STEFANIE HERKER Frankreich bereitet seine Krankenhäuser auf den Krieg vor. In den USA predigt man Freiheit mit Waffen, in Europa verteidigt man Werte mit Zäunen. Deutschland verstrickt sich im Kulturkampf. Wir wissen, dass etwas falsch läuft – aber nicht mehr, wie man es ändert. Was uns fehlt, ist kein Patriotismus, sondern Zusammenhalt. Links, rechts – und der falsche Streit Wir leben im selben Land, aber in unterschiedlichen Wirklichkeiten. Die Sozialen Medien bedienen die Klischees von links und rechts perfekt. Die einen gelten als „rechtsradikal“, die anderen als „woke“. Für die einen bedeutet Sicherheit „Bewahrung von Altem“, für die anderen „Veränderung“. Doch wenn man genau hinhört, wollen beide dasselbe: Sicherheit, Würde, eine gute Zukunft für ihre Kinder. Vielleicht liegt der Fehler in diesen veralteten Kategorien: links, rechts, richtig, falsch. Die eigentliche Frontlinie verläuft anders. Oben gegen unten Die Begriffe „links“ und „rechts“ stammen aus der Französischen Revolution. Die Anhänger des Königs saßen rechts, die Revolutionäre links. Aus einer Sitzordnung wurde eine Weltanschauung. Aber was, wenn die wahre Achse gar nicht horizontal verläuft,sondern vertikal? Oben: jene, die gestalten. Unten: jene, die gestaltet werden. Oben: Kapitalinteressen. Unten: Lebensinteressen. Oben: Gier. Unten: Gemeinwohl. „Oben“ ist die Sphäre der wirtschaftlichen und politischen Eliten, darunter auch Medienmogule in Gestalt von rechten Milliardären, die die vermeintliche Stimmung im Land abbilden, geschützt von einem Steuersystem, das Reichtum konserviert. „Unten“ steht die Mehrheit der Menschen, das Volk – nicht links, nicht rechts, sondern unten. Die Klimakrise als Spiegel Wenn sich Friedrich Merz in Talkshows zu seiner fehlenden Klimapolitik erklären will, erwähnt er immer wieder gerne „Ich bin der erste Kanzler seit 1998, der eigene Kinder hat!“ Damit will er sagen, natürlich läge ihm das Wohl folgender Generationen am Herzen. Aber: Friedrich Merz ist mehrfacher Millionär, seine bereits erwachsenen Kinder sind allein durch das Erbe gut geschützt. Wer in gut isolierten Häusern lebt, mit Rücklagen, Versicherungen, Aircondition und Zeit, dem tut die Erderwärmung erst einmal wenig weh. Unten aber, in schlecht gedämmten Wohnungen und prekären Jobs, schlägt sie längst zu. Die Klimakrise ist eine Klassenfrage. Und während CDU-Politiker wie Tilman Kuban (kürzlich von seiner eigenen Frau angeklagt) sagen, Klimaschutz dürfe „nicht auf Kosten des Wohlstands“ gehen, hat die Physik längst entschieden, dass Untätigkeit den Wohlstand erst recht vernichtet. Klimaschutz sichert Wohlstand. Oder eher: würde Wohlstand sichern. Friedrich Merz sagte: „Wir leben seit Jahren über unsere Verhältnisse“ und hält gleichzeitig am Dienstwagenprivileg fest – fünf Milliarden Euro jährlich, eine Subvention für Besserverdienende. Für klimafreundliche Mobilität ist angeblich kein Geld da, für klimaschädliche Steuertricks schon. Lange dachte man: Was sollen wir schon reißen, wenn nicht einmal China Klimaschutz betreibt. Das war bequem. Und falsch. China ist längst vorn. Dort entstehen Solarfelder, so groß wie ganze Bundesländer. Windparks wachsen in Wüsten und auf dem Meer. Batterien versorgen Millionenstädte. Fast alles, was neu ans Netz geht, ist erneuerbar. "Der grüne Wandel ist das Gebot der Stunde!" - Xi Jinping, Chinas Staatspräsident China baut, um weltweit zum Lieferanten von erneuerbaren Energien und entsprechenden Produkten zu werden. China zeigt damit, dass sich Wirtschaftswachstum und erneuerbare Energien nicht behindern. Deutschland hingegen erklärt die Grünen lieber zum Feind. Söder redet ständig von "Technologieoffenheit". Gemeint ist der Verbrenner. Wir subventionieren das Alte und fürchten das Neue. Erneuerbare Energien sind nicht links-grün. Klimaschutz und erneuerbare Energien sind die Basis für unsere Zukunft. Aber durch die Hatz der CDU gegenüber anderen Parteien
16 espresso Diktatoren an Einfluss gewinnen, Reiche, Konzerne und Oligarchen weiter profitieren und die Lüge zum politischen Stilmittel geworden ist, kopiert Deutschland dieses Spiel auf seine ganz eigene, bieder-bürokratische Art – in der Regulierungspolitik der CDU. Dort, wo man meinen müsste, es ginge um den Schutz demokratischer Werte, wird in Wahrheit an ihrem Fundament gesägt. Die Menschen verlieren ihren letzten Glauben an die Politik - das letzte Fünkchen Hoffnung was noch da war, ist bald komplett weg - weil sie sich gegängelt statt gehört fühlen. Und genau das – diese Mischung aus Überheblichkeit und Ignoranz gegenüber den Sorgen der Bürger:innen – ist der Nährboden, auf dem die AfD gedeiht. Sie wächst nicht trotz, sondern wegen dieser Politik. Laut ZEIT WISSEN stieg das Einkommen des obersten Zehntels seit 1994 um 58 Prozent, das des untersten nur um 1,4. Der Wohlstand wächst – aber nicht für alle. Und doch heißt es so oft: Wenn die Wirtschaft boomt, geht es uns allen gut. Die Zahlen sprechen dagegen. Der Ökonom Thomas Piketty zeigt, dass sich der Reichtum auf die obersten fünf bis zehn Prozent konzentriert und immer stärker nach oben fließt. Und entgegen dem Mythos vom „Trickle-down“ belegen Studien des Internationalen Währungsfonds: Dieser Effekt, der Wohlstand würde irgendwann durchsickern, hat sich nie eingestellt. Mark Twain schrieb: „Wenn die Reichen die Armen ausnehmen, heißt es Business. Wenn die Armen sich wehren, heißt es Gewalt.“ Heute gilt das auch für den Planeten. Wenn Konzerne Wälder roden und Meere leer fischen, nennen wir das Wachstum. Wenn Klimaaktivisten protestieren, nennen wir das Radikalismus. Macht darf wüten – Widerstand soll höflich bleiben. Oben gegen unten. Fleisch-Lobby-Fetisch In der Fleischpolitik zeigt sich wie unter einem Brennglas, worum es wirklich geht – und nein, es ist kein Kampf zwischen links und rechts, sondern zwischen oben und unten. Während die Union den Menschen einredet, die Grünen wollten ihnen das Fleisch verbieten, betreibt sie selbst Symbolpolitik im Dienste der Fleischlobby: Statt Verantwortung zu übernehmen, verbietet das EU-Parlament - mit der Mehrheit durch Rechts - Veganern den Begriff „Wurst" und "Schnitzel“. Die Wahrheit ist unbequem – Wurst (aus Fleisch) ist nachweislich krebserregend, Tiere leiden millionenfach in industrieller Haltung, und Landwirt:innen werden längst nicht geschützt, sondern ausgepresst. Es geht nicht um Selbstbestimmung, nicht um Tradition, nicht um Kultur. Es geht um Profit. Um die Gewinne weniger auf Kosten vieler. Um oben gegen unten. Ironischerweise hat ein CSU-Politiker mit dem Namen Konrad Adenauer vor hundert Jahren auf die Soja-Wurst Patent angemeldet. Damals herrschte Fleischmangel. Heute - wegen tolerierter Massentierhaltung und Tierquälerei im großen Stil - nicht mehr. Lebenswerte Zukunft vs. profitable Gegenwart Jetzt könnte jemand sagen: Man könne doch das gleiche Spiel mit den Grünen oder der Linken treiben — sie als „oben“ darstellen, das Volk als „unten“. Aber der Unterschied liegt im Ergebnis. Denn die Klimamaßnahmen, die soziale Umverteilung, die Förderung erneuerbarer Energien oder die Unterstützung für Geringverdiener kommt in erster Linie den Menschen zugute, nicht den Konzernen. Es sind Parteien links der Mitte, die – bei allen Fehlern – wenigstens versuchen, das große Ganze im Blick zu behalten: soziale Gerechtigkeit und eine lebenswerte Zukunft für viele, statt nur eine profitable Gegenwart für eine kleine Minderheit. Während die Rechten Besitz schützen wollen, schützen die Linken das Leben. Und ja – das klingt idealistisch. Aber selbst ChatGPT, wenn man es fragt, welche Parteien am ehesten eine gute Zukunft für die Mehrheit der Menschen ermöglicht, kommt zu demselben Schluss: Es sind die Parteien, die Solidarität, Bildung, Umwelt und soziale Gerechtigkeit fördern. Kurz gesagt: Wer wirklich „Volkspartei“ sein will, muss für das Volk arbeiten und nicht für seine Aktionäre. Und wer dem Volk dient, der will es nicht spalten. Die AfD steht für "oben" nicht fürs Volk Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte jüngst vor der "russischen Geheimarmee in unseren Demokratien" - gemeint ist Desinformation, die Gesellschaften spalten soll. Diese Spaltung ist kein Zufallsprodukt, sondern ein politisches Werkzeug. Die AfD versteht dieses Spiel perfekt. Sie schimpft gegen „die da oben“, lebt aber selbst von denselben Privilegien, die sie vorgibt zu bekämpfen. Das belegt ihre Nähe zu Milliardären und Lobbyisten, von denen sie finanziert wird. In sozialen Netzwerken posierte Alice Weidel und Co. mit Müller-Milch-Flaschen. Dass der CEO von Müller Milch, Theo Müller mit Alice Weidel befreundet ist, ist kein Geheimnis. Volksnähe als Pose, Profit als Programm. Ihre Politik ist nichts anderes als neoliberaler Volkszorn – Umverteilung nach oben, getarnt als Rebellion von unten. Lösungen bietet sie keine. Soziale Themen werden mit nationalistischer Rhetorik verknüpft: Grenzen statt Gerechtigkeit. Doch jede geschlossene Grenze bedeutet auch: Verlust an Menschlichkeit – und an Zukunft. "Länger arbeiten, weniger Urlaub" - das sei der Deal, wenn man weniger Ausländer im Land haben möchte, sagte AfD-Politiker Erik Lehnert. Ein Zynismus, der sich als Volksnähe tarnt und sich dabei selbst entlarvt. Man müsste nur einmal hinhören. Der moderne Faschismus: Die AfD tut volksnah, aber ist in Wirklichkeit der verlängerte Arm einzelner Milliardäre, die nichts für die Gesellschaft tun wollen. Fotos: KI
17 espresso Besonders grotesk zeigt sich diese Heuchelei an Alice Weidel, der Co-Vorsitzenden der AfD. Sie ist lesbisch, lebt mit einer dunkelhäutigen Frau und zwei gemeinsamen Kindern in der Schweiz – während ihre Partei gegen genau diese Gruppen hetzt: gegen Homosexuelle, gegen Menschen mit Migrationshintergrund und gegen Frauen, die selbstbestimmt leben wollen. Das wahre Opfer der AfD Es ist das perfekte Sinnbild für den inneren Widerspruch dieser Partei: Wer zur Machtelite gehört, darf sich alles herausnehmen – wer unten steht, wird dafür verurteilt. Weidel darf lieben, wen sie will, leben, wo sie will, und sagen, was sie will – während ihre eigene Partei genau diese Freiheiten anderen abspricht. Hier wird sichtbar, dass es auch in der AfD nicht um Werte oder Moral geht, sondern um Hierarchien. Um Kontrolle. Wenn die AfD ruft: „Alle Ausländer raus!“, dann klingt das zunächst nach Volk gegen Fremde – in Wahrheit ist es aber oben gegen unten. Denn die Reichen, Mächtigen, Besitzenden wären davon kaum betroffen, wenn ausländische Arbeiter:innen fehlen. Ihre Villen werden weiter geputzt, ihre Unternehmen ausgelagert, ihre Konten wachsen weiter. Treffen würde es die, die den Laden am Laufen halten: Pflegekräfte, Bauarbeiter, Landwirte, Lieferfahrer, Ärztinnen – also jene „unten“, die täglich die Gesellschaft tragen und dafür Personal brauchen. Die Folge: leere Supermarktregale, stillstehende Krankenhäuser, unbezahlbare Preise. Siehe Amerika unter Trump. Das „Volk“, das die AfD vorgibt zu vertreten, wäre am Ende ihr erstes Opfer. Das ist die bittere Wahrheit hinter der Parole „Deutschland den Deutschen“: Sie meint nie alle Deutschen. Sie meint nur die, die schon oben stehen. Siehe Amerika. Und weil die Aushöhlung der Demokratie durch Trump in den USA so wunderbar funktioniert, sucht die AfD die Nähe zu Autokraten nahezu. Beatrix von Storch sagte bei der TV-Talkshow Markus Lanz sinngemäß, dass sie regelmäßig Insider-Informationen an die Regierung Trump liefere. Was muss für ein AfD-Verbot noch alles passieren? Wenn Religion zur Show wird Donald Trump wollte den Friedensnobelpreis. Und er will in den Himmel, hat er verraten. Gleichzeitig wünschte er sich 2024 "Generäle, wie die von Hitler damals". Er verehrt Hitler. Er trennt Kinder von ihren Eltern durch Abschiebung,. Er verbietet Presse, Bücher, Sprache und Wissenschaft, die nicht nach seiner Gesinnung sind. Den Gaza-Deal hat er nicht über die Bühne gebracht, weil er solche, die die deutsche Staatsbürgerschaft nicht haben, nicht unterscheiden", stellte Angela Merkel in einer Talkrunde klar. Aber bei Merz ist es Kalkül. Er will AfD-Rhetorik bedienen, Wähler:innen vom rechten Rand abschöpfen, koste es, was es wolle. An der Macht bleiben wird über den Zusammenhalt der Gesellschaft gestellt. Reale Probleme wie Gewalt gegen Frauen durch Männer im Allgemeinen, Armut und fehlende Integration werden vertuscht, dafür sucht man andere Sündenböcke. Oben gegen unten. Wir sind alle Migranten. Seit es Homo sapiens gibt, bewegen wir uns – aus Hunger, aus Angst, aus Hoffnung. Es gibt kein „rein deutsch“, kein Ursprungsvolk, das irgendwo stillstand. Wir sind Mischwesen, verbunden durch Bewegung, Geschichte und Überleben. Wir brauchen keine Sündenböcke in Form von Menschen, die in Bahnhöfen schlafen oder sich in Parks versammeln, weil sie woanders nicht ins Bild passen. Was wir jetzt brauchen Hoffnung allein wäre zu wenig. Besser: Wahre Vorbilder, Bildung, Klarheit. Menschlichkeit. Einen Live-Fakten-Check im TV. Stil. Ein AfD-Verbot. Wir brauchen wieder mehr Träumer und Visionäre. Genauso wie Worte spalten können, können sie doch auch zusammenführen. Die Friedensaktivistin Jane Goodall sagte in ihrem letzten Interview, das erst jetzt nach ihrem Tod veröffentlicht wurde: „You cannot get through a single day without having an impact on the world around you. What you do makes a difference, and you have to decide what kind of difference you want to make.“ ("Du kannst keinen einzigen Tag durch diese Welt gehen, ohne einen Einfluss auf deine Umwelt zu haben. Was du tust, macht einen Unterschied. Und du kannst entscheiden welchen Unterschied du machen willst.") Wir brauchen keine Panzer und keinen von Alpha-Männchen gemachten Krieg. Wir brauchen keinen Nationalstolz. Wir sollten uns viel mehr grenzenübergreifend als Volk verstehen. Wie kraftvoll wäre es, wenn Menschen sagen: Ich mache da nicht mehr mit. Ich lasse mich nicht mehr täuschen. Menschlichkeit muss wieder wichtiger werden als eigene Meinung. ein guter Mensch ist, sondern weil er wirtschaftlich enorm davon profitiert. Er spielt König, schert sich einen Dreck um sein Volk. Und während republikanische und vermeintlich christliche Parteien von Familie und Werten sprechen, verraten sie Minderheiten und verteidigen zerstörerische Systeme. Nächstenliebe im Namen, Abweisungen als Regierungsstil. Es wird Zeit, dass wir mit offenen Augen durch die Welt gehen und diese Heuchelei unter dem Deckmantel von Jesus Christus nicht weiter tolerieren. Migration als Menschheitsgeschichte Bundeskanzler Friedrich Merz sprach kürzlich (in Rätseln) vom "Stadtbild, das sich ändern müsse" und meinte damit (wohl illegale) Migrant:innen in Deutschland, die abgeschoben werden sollen. In einer darauffolgenden Pressekonferenz sagte er, er werde sich dafür nicht entschuldigen, weil er es genau so gemeint hätte. Wir blicken zurück in das Jahr 1941. Goebbels, Reichsminister und Wegbereiter des Holocausts, schrieb damals in seinem Tagebuch: "Sie verderben nicht nur das Straßenbild, sondern die Stimmung." Er meinte die Juden. Bei Merz Stadtbild-Aussage geht es längst nicht mehr um illegale Migration. Er greift damit pauschal Menschen mit Migrationshintergrund an. "Ich kann auf der Straße Menschen mit Migrationshintergrund, die deutsche Staatsbürger sind und
18 STA DTB ILD? HABEN WIR EIN PROBLEM IM BUNDESKANZLER MERZ SPALTET EINMAL MEHR DIE GEMÜTER DER NATION DURCH SEINE AUSSAGE, WIR HÄTTEN EIN "PROBLEM IM STADTBILD" IN ZUSAMMENHANG MIT MIGRANT:INNEN. RASSISMUS ODER REALITÄT? WAS SAGEN BÜRGERMEISTER DER REGION 10 DAZU? Foto: Herker / midjourney
19 espresso DR. MICHAEL KERN, Oberbürgermeister von Ingolstadt Wenn wir in einer Stadt über das „Stadtbild“ sprechen, dann sprechen wir über Menschen – über Nachbarn, Kollegen, Freunde und Familien, die hier leben. Jede und jeder Einzelne trägt mit seiner Geschichte und seinem Engagement dazu bei, wie unsere Stadt wahrgenommen wird. Ingolstadt ist eine vielfältige Stadt. Über die Hälfte unserer Bürgerinnen und Bürger hat eine Migrationsbiografie, Menschen aus rund 140 Nationen leben hier miteinander. Diese Vielfalt prägt unser Stadtbild und sie ist ein Teil unserer Stärke. Natürlich erwarten wir, dass sich alle an die Regeln unseres Zusammenlebens halten. Integration bedeutet keine Einseitigkeit: Sie gelingt, wenn Menschen einander begegnen, sich austauschen und Verständnis füreinander entwickeln. Dies ist in Ingolstadt vielfach gelebter Alltag. Das fördern wir mit vielen Initiativen, mit dem Integrationsbeirat, dem Fest der Kulturen, der Interkulturellen Woche bis hin zu Stadtteilprojekten, in denen Menschen unterschiedlicher Herkunft gemeinsam Verantwortung übernehmen. Für mich ist entscheidend: Das Stadtbild verändert sich immer und das ist gut so, wenn es Ausdruck von Miteinander, Respekt und gegenseitiger Akzeptanz ist. DR. BERNHARD GMEHLING Oberbürgermeister Neuburg a.d. Donau Das Stadtbild der Stadt Neuburg ist mit Sicherheit eines der schönsten in ganz Süddeutschland. Ich freue mich über unser Stadtbild jedes Mal, wenn ich in der Stadt unterwegs bin. Richtig ist aber auch, dass nach Neuburg – im Vergleich zu anderen Städten – überdurchschnittlich viele Flüchtlinge und Migranten zugewiesen sind. Diese tauchen natürlich auch im Stadtbild auf und ich werde auch immer wieder von Bürgerinnen und Bürgern darauf angesprochen, tatsächlich unterscheidet sich dieser Personenkreis ja auch oftmals im äußeren Erscheinungsbild von der ursprünglichen Bevölkerung. Ich würde aber nicht sagen, dass insgesamt das Stadtbild Neuburgs dadurch negativ beeinträchtigt ist, letztlich unterliegt das immer einer persönlichen Beurteilung. Ich glaube aber auch, dass die Äußerung unseres Bundeskanzlers in keinster Weise fremdenfeindlich war, sondern eben das individuelle Empfinden vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger widerspiegelt. MARTIN SCHMID, 1. Bürgermeister Stadt Vohburg Ich sehe für unsere Kleinstadt hier absolut keine Probleme, da gibt es auch keine Zusammenhänge. Irgendwelche Probleme mit Stadtbild und Migration sind hier bei uns nicht vorhanden oder erkennbar. Mir erscheint die Aussage des Bundeskanzlers schon seltsam bzw. merkwürdig, aber man weiß ja, dass er manchmal schon dazu neigt, einfach mal was zu verallgemeinern. Unterschiede gibt es halt klar zwischen Groß- und Kleinstädten. Fotos: Adobe Stock/ Ingolstadt und Vohburg: fotoo, Neuburg: Sina Ettmer
espresso Anzeige 114 Adrian Retzer vom Stadttheater Ingolstadt zwischen Pixeln und Pappmaché Von allen guten Geistern nicht verlassen.
21 espresso ie der Ingolstädter Industriedesigner Adrian Retzer den Masken des Stadttheaters Seele gab. In ganz Ingolstadt blicken sie von den Plakatwänden: Gesichter - bunt, schillernd, teils grotesk, die auf die Spielzeit 2025/26 des Stadttheaters Ingolstadt aufmerksam machen wollen. Manch einer hat sich vielleicht schon gefragt, was es damit auf sich hat. Erschaffen wurden die Wesen vom Designstudio eps51 mit Unterstützung von KI - perfekt in Pixeln - aber nicht greifbar. Jeder Produktion wurde ein Gesicht zugeordnet - mal lustig, mal traurig, mal phantasievoll, mal schlicht. KI-Charaktere so bunt wie die Menschen auf der Straße. "Jeder findet hier ein Gesicht, das er gut findet", meint Künstler Adrian Retzer. Er ist Ausstattungsassistent im Jungen Theater und hatte die Idee, dem, was digital gedacht war, Form zu geben. "Wenn man sie so auf den Plakaten sieht, möchte man sie förmlich berühren – das flauschige Plüsch streicheln, über die glatte, glänzende Oberfläche fahren und spüren, ob sie so kühl ist, wie sie wirkt", erklärt der 34-jährige Ingolstädter, dessen Leidenschaft sich zwischen Musik, Design und Kunst bewegt. Er näht seit Jahren Accessoires, Masken, Kostüme - hauptsächlich für sich selbst, aber auch vereinzelt für Schauspieler:innen wie Olivia Wendt und Benjamin Dami vom Stadttheater. Zuerst waren es nur zwei der KI-Geister, die er zum Leben erweckte. Ein Versuch, ein kreatives Spiel. Aus Papier, Kleister und Leim formte er in Handarbeit Stück für Stück nach, was er auf dem Bildschirm sah. Er trug Schicht um Schicht Farbe auf, fügte Glanzlack hinzu. Was für eine KI theoretisch in dem Bruchteil einer Sekunde aus Pixeln machbar ist, war für Adrian tagelange Handarbeit. Es entstanden Gesichter, "Schutzgeister des Theaters" nennt Adrian sie, kaum zu unterscheiden von der KI-Version, nur diesmal fühlbar, erlebbar. Als Intendant Oliver Brunner die Masken sah, war er sofort begeistert: „Mach mehr davon“, sagte er. Und Adrian machte weiter. W "Sie sind nicht immer das 1:1-Abbild der KI-Version. Und manchmal hab ich mir auch einfach eine eigene Version meiner guten Geister erlaubt", gesteht er. Er ist ein Mensch, der in Bewegung denkt. Spontan, begeisterungsfähig, getrieben von Neugier. Inspiriert von Schaufenstern in Metropolen, von Fashionshows, von Musik. „Beim Joggen mit Musik kommen die besten Ideen. Da sprudelt es einfach.“ Seine Muse: Róisín Murphy – wild, exzentrisch, furchtlos. Und doch ist Adrian kein Träumer ohne Zweifel. "Ich bin meistens unzufrieden", lacht er. Eigene Kreationen und die damit verbundene Perfektion meint er. "Aber die Masken sind gut geworden. Da bin ich zufrieden." Er erinnert sich an die "Du bist nicht mehr zu sehen. Die Menschen nehmen dich als etwas anderes wahr." Adrian Retzer über seine Faszination für Masken schlaflosen Nächte, in denen er überlegte, ob die Masken passen, ob sie halten und den Träger während der Show atmen lassen. Er weiß, dass tragbare Kunst nicht nur schön, sondern funktional sein muss – ein Wissen aus seiner Zeit als Industriedesigner. Heute näht er Kostüme, entwirft Formen, schafft Welten – und bald, beim Stück „Verrücktes Blut“, wird er erstmals die Bühnenoutfits gestalten. Ein Traum, der sich langsam in Stoff verwandelt. "Ich liebe meine Arbeit und ich finde die Menschen am Stadttheater ganz toll!", sagt Adrian. Und man spürt es. Vielleicht braucht es in dieser Zeit genau solche Menschen wie ihn: Die zwischen den Pixeln den Pulsschlag suchen. Die das Digitale nicht verdammen, sondern verwandeln. Die uns erinnern, dass Berührung kein Relikt ist – sondern ein Bedürfnis. Adrians Masken erzählen von genau diesem Wunsch nach Nähe und Gefühl. Nach etwas, das man anfassen kann. Zwischen Kleister und Klang, zwischen Daten und Daumenabdruck entsteht Kunst des Wieder-Fühlens. Ein Aufruf, das Menschliche nicht zu vergessen – selbst in einer Welt, die immer digitaler wird. Pixel (unten) vs. Plüsch (rechts)
22 espresso Wir werden Die Eichhörnchen haben ihr Paradies hier bereits gefunden. Eifrig sammeln sie die Nüsse des riesigen Walnussbaums in der Rankestraße 27 für den nahenden Winter. Hinter dem Baum liegt, nicht weniger imposant, eine große Villa. In ihr schlummert das Potenzial einer großen Idee, der Idee vom genossenschaftlichen Wohnen. Genossenschaftlich wohnen heißt auch: Gemeinschaftlich wohnen. Wer jetzt an die Kommune 1 um Rainer Langhans denkt, kann beruhigt werden. Privatsphäre gibt es in der Rankestraße genug – aber eben auch viel Platz für Gemeinschaft. Fünf eigenständige Wohnungen und ein Studentenappartement sollen bis kommenden Sommer bezugsfertig sein. Im Zentrum: ein Gemeinschaftsraum für alle. Nur eine Wohnung und das Appartement sind noch frei. Für die anderen Einheiten haben sich bereits Wohngenossen gefunden. Eine von ihnen: die Fotografin Christine Olma. Wie stellt sie sich das Zusammenleben in einer Wohngenossenschaft vor? „Alles kann, nichts muss“, sagt sie. Konkrete Ideen hat sie schon. „Wenn ich einen Kuchen backe Genossen oder: Hier wohnt die Idee vom Miteinander links IWOGE-Vorstand Raimund Köstler und IWOGE-Aufsichtsrätin Christine Olma. Im Hintergrund der Walnussbaum. oben Blick in die Villa. Der riesige runde Kaminofen fällt den Umbauarbeiten zum Opfer. unten Abgesehen vom Staub auf dem Boden ist noch nicht viel zu sehen, aber hier wird Christine Olma künftig mit ihrem Mann Josef leben.
23 espresso geleert. Im Krankheitsfall werden die Einkäufe übernommen. Man schaut auf sich. Die Bewohner profitieren voneinander - sei es durch geteilte Ressourcen, gegenseitige Hilfe oder soziale Kontakte im Alltag. „Den Gedanken des gemeinschaftlichen Wohnens trage ich schon lange mit mir herum“, sagt Olma. WG-Erfahrung hat sie zur Genüge, was ihr den Schritt ins Genossenschaftshaus wohl auch erleichtert hat. In Gesprächen stellt sie immer wieder fest, dass viele von der Idee des genossenschaftlichen Wohnens fasziniert sind, aber nur die wenigsten tatsächlich den Schritt wagen. Viele zögern und zaudern. Das will Raimund Köstler ändern. Beim Pilotprojekt soll es nicht bleiben, erklärt der IWOGE-Vorstand. Mehr Häuser, mehr Wohngenossen. Das ist der Plan. Entstanden ist die Idee in Vronis Ratschhaus. „In der High-Noon-Gruppe haben wir viel darüber diskutiert und schließlich den Entschluss gefasst, alternative Wohnformen auch in Ingolstadt voranzubringen“, sagt der ÖDP-Stadtrat. Die Gründung der IWOGE folgte auf dem Fuße. Auch Köstler bezieht voraussichtlich eine der fünf Wohnungen in der Rankestraße. Wenn sich dort alles eingespielt hat, hat Christine Olma einen Tag der offenen Tür im Sinn, um das Projekt der Öffentlichkeit vorzustellen, Barrieren abzubauen und Mut zu machen. Sie selbst sitzt im Aufsichtsrat der IWOGE. Trotz aller Gemeinschaft: Mit sozialem Wohnungsbau hat das Ganze nichts zu tun. Das nötige Startkapital muss man schon aufbringen können. In Zahlen ausgedrückt (für das Objekt in der Rankestraße): 2.000 € / qm Wohnfläche müssen für den Pflichtanteil direkt hinterlegt werden. Dazu kommt noch ein Nutzungsentgelt, das in der Höhe mit einer gehobenen Kaltmiete vergleichbar ist. Bei der letzten freien Wohnung mit knapp 100 qm kommt man schnell zum Schluss, dass das nicht unbedingt ein Schnäppchen wird. Der Preis ist natürlich auch der Lage geschuldet. Die Immobilie liegt den sprichwörtlichen Steinwurf vom wundervollen Luitpoldpark entfernt. Auch die angestrebte nachhaltige Bauweise ist nicht immer die günstigste Variante, im Gegenzug gibt es hierfür aber staatliche Förderungen. Während die einzelnen Wohnungen ganz individuell gestaltet werden dürfen, ist der Gemeinschaftsraum und der Garten für alle da. Entscheidungen sollen demokratisch getroffen werden, die Verantwortung für das Zusammenleben geteilt. So entsteht nicht nur Wohnraum, sondern ein lebendiger Ort, an dem Solidarität, Nachhaltigkeit und Mitgestaltung gelebt werden. Wenn allen das Grundstück und das Gebäude gehört, dann wird sich ein jeder auch dafür verantwortlich fühlen, so die Idee. Und wer weiß: Vielleicht finden die Genossen hier ihr ganz persönliches Paradies – so wie die Eichhörnchen, die schon längst wissen, dass man im richtigen Umfeld gut leben kann. Mehr: iwoge.org Fotos & Text Sebastian Birkl und etwas davon übrigbleibt, stelle ich ihn in den Gemeinschaftsraum. Oder man trifft sich dort abends bei einem Glas Wein und philosophiert über Gott und die Welt.“ Im Grunde ist es ein Geben und Nehmen. „Gemeinschaft ermöglicht große Freiheit“, so Olma. Heißt: Im Urlaub passt jemand auf den Hund auf, die Blumen werden gegossen, der Briefkasten Das Erscheinungsbild der Ingolstädter Villa wird sich stark verändern. Unter anderem wird in Holzbauweise aufgestockt. Die Genossenschaftsmitglieder zahlen für ihre Wohnung eine Nutzungsgebühr, die die Kosten (Finanzierung, Instandhaltung und Bewirtschaftung) deckt – ohne Renditeansprüche eines Vermieters oder Bauträgers. Das bedeutet auch, dass diese Nutzungsgebühr, sobald die Fremdmittel zurückgezahlt sind, deutlich sinken wird.
espresso Anzeige 24 Der Boden unter unseren Füßen ist unscheinbar – und lebenswichtig. Er speichert Wasser, ernährt Pflanzen, bindet Kohlenstoff. Doch jahrzehntelange Übernutzung hat ihn vielerorts ausgelaugt, erodiert oder vergiftet. Trotz klarer Warnungen aus Wissenschaft und Landwirtschaft bleibt die Bundesregierung zögerlich. Pfaffenhofen an der Ilm zeigt, dass Handeln möglich ist – und wirkt damit weit über Bayern hinaus. Ein kommunaler Aufbruch 2018 initiierte Bürgermeister Thomas Herker (SPD) die Bodenallianz Pfaffenhofen, ein Bündnis zwischen Stadtverwaltung, Landwirt:innen und Bürger:innen. Ziel: Böden langfristig fruchtbar zu halten und klimaschonend zu bewirtschaften. Der Stadtrat stellte dafür eine Million Euro bereit. Statt auf neue Vorschriften, setzt die Stadt auf Vertrauen, Weiterbildung und Kooperation. „Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist“, sagt Herker. „Die Landwirtschaft ist einer der wichtigsten Hebel im Klimaschutz.“ Denn humusreiche Böden speichern CO₂, fördern Artenvielfalt, schützen Grundwasser und mildern die Folgen von Trockenheit und Hochwasser. Vom Experiment zum Erfolgsmodell Rund 180 Betriebe beteiligen sich inzwischen an der Allianz. Sie arbeiten mit Humusaufbau, Zwischenfrüchten, Agroforstsystemen und mechanischer Unkrautregulierung. In mehrjährigen Kursen lernen Landwirt:innen, wie sie Böden widerstandsfähiger machen und Nährstoffkreisläufe schließen. Die begleitende Studie BODEN.KLIMA, die bereits abgeschlossen wurde, untersuchte wie viel CO₂ sich durch Humusaufbau langfristig im Boden speichern lässt. Ein Steuerungskreis aus bäuerlichen Familien legt die Schwerpunkte fest – das macht das Projekt praxisnah. Die Stadt strebt an, die ökologisch bewirtschafteten Flächen auf 1.000 Hektar zu erhöhen. Es geht um mehr als um Anbauflächen: um sauberes Trinkwasser, gesunde Lebensmittel und den Erhalt der bäuerlichen Kulturlandschaft. „Wir waren in der Landwirtschaft lange auf dem falschen Kurs“, sagt Projektleiter Sepp Amberger. „Die Allianz hilft, das zu korrigieren.“ Bürgernähe statt Bürokratie Pfaffenhofen zeigt, dass Klimaschutz nur funktioniert, wenn alle beteiligt sind. Werkstätten, Schulgärten und Hofporträts machen Landwirtschaft sichtbar, wöchentliche Erzeugermärkte fördern kurze Wege und regionale Wertschöpfung. Was hier entsteht, ist nicht nur Nachhaltigkeit, sondern Nähe – zwischen Stadt und Land, Produzenten und Verbrauchern. Vom Acker bis nach Costa Rica Die Idee hat längst Grenzen überschritten. In der Partnerstadt Turrialba (Costa Rica) wurde nach Pfaffenhofener Vorbild eine BODEN ALLIANZ Die Bodenallianz Pfaffenhofen zeigt, wie ökologische Landwirtschaft funktioniert
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